Mit Telemedizin gegen Ärztemangel in Pflegeheimen

Die häufigsten hausärztlichen Untersuchungen von Menschen im Pflegeheim könnten in Zukunft vielleicht vollständig per Videokonferenz durchgeführt werden. Ein entsprechendes Pilotprojekt zumindest hat die AOK Nordost gestartet – gemeinsam mit Pflegeheimen, Ärztinnen und Ärzten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Berlin – und in Zusammenarbeit mit dem Telemedizin-Anbieter „MedKitDoc“. Damit soll eine gute ärztliche Versorgung in Pflegeheimen aufrechterhalten werden, trotz Fachkräftemangel, fehlender Vernetzung und stellenweise großer Entfernungen. 

„Als Krankenkasse betreten wir damit Neuland“, sagt Timo Behrendt, eHealth-Experte bei der AOK Nordost. „Insbesondere in der Pflege werden die Potenziale der Digitalisierung noch viel zu wenig genutzt.“ Dabei sei gerade in diesem Bereich der Bedarf besonders hoch: Pflegebedürftige benötigen eine intensive und kontinuierliche ärztliche Betreuung. „Aber gerade auf dem Land gibt es immer weniger Ärztinnen und Ärzte. Deshalb setzen wir auch in der Pflege auf digitale Tools, die einen echten Nutzen haben. Denn wir möchten eine gute ärztliche Versorgung in Pflegeheimen auch weiterhin ermöglichen“, so Timo Behrendt weiter.

Videokonferenz mit Stethoskop

Über die Plattform MedKitDoc können die häufigsten hausärztlichen Beratungen in einer Videokonferenz durchgeführt und dabei gleichzeitig verschiedene zertifizierte Medizingeräte eingebunden werden. Daten wie EKG, Blutsauerstoff und vieles mehr werden über eine App in Echtzeit während der Videokonferenz an die Ärztin oder den Arzt übermittelt. Eine besondere Bedeutung hat dabei das Stethoskop:

„Bisher waren die Untersuchungsmöglichkeiten in einer Videokonferenz sehr eingeschränkt. Oft mussten die Patientinnen und Patienten trotzdem noch in die Arztpraxis oder ins Krankenhaus. Unsere Plattform ermöglicht es unter anderem erstmals, mittels Stethoskop Herz- und Lungengeräusche in einer Videokonferenz abzuhören“, sagt Dorian Koch, CEO und Gründer von MedKitDoc.

Wertvoller Zeitgewinn durch weniger Fahrwege

Monique Salchow-Gille, Internistin im neuen MVZ in Friedland, zeigt MedKitDoc der Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern, Stefanie Drese.

„Ich erhoffe mir eine signifikante Verbesserung des Austausches medizinischer Daten zwischen Patientinnen und Patienten aus den Pflegeheimen und mir als behandelnder Ärztin“, sagt Monique Salchow-Gille, Internistin in Friedland und Ärztin im Senioren-Wohnpark Friedland. „Ich möchte möglichst umfassend und aktuell über den Zustand meiner Patientinnen und Patienten informiert sein und bei Bedarf zeitnah handeln können. Allerdings sind gerade auf dem Land die Wege sehr weit. MedKitDoc kann dieses Problem lösen, weil ich ortsunabhängig telemedizinisch auf alle wichtigen Vitalwerte Zugriff habe und damit fundierte Entscheidungen treffen kann. Und: Durch wegfallende Fahrzeiten – beispielsweise ist ein Pflegeheim 75 Kilometer entfernt – gewinne ich Zeit, die ich nutzen kann, mehr Patientinnen und Patienten zu betreuen. Der Bedarf ist groß.“

Kompetenzerweiterung der nicht ärztlichen Berufe

„Wir versprechen uns von MedKitDoc eine intensivere Taktung der ärztlichen Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner sowie eine Vermeidung unnötiger Krankenhauseinweisungen“, sagt Katharina Friesse, Einrichtungsleiterin im Senioren-Wohnpark Friedland. Außerdem sollen spezielle Schulungen sowohl an der Software als auch an den telemedizinischen Geräten die Kompetenzen des Pflegepersonals erweitern: „Die Möglichkeiten des Pflegepersonals werden gestärkt, in akuten Situationen schnell reagieren zu können. Durch die telemedizinische Einbindung der Ärztin oder des Arztes kann das Pflegepersonal schneller reagieren und so auch unseren Bewohnerinnen und Bewohnern mehr Sicherheit vermitteln.“

Das Pilotprojekt ist Teil der AOK-Initiative „Stadt.Land.Gesund. für eine bessere ländliche Gesundheitsversorgung“. Dazu engagiert sich die AOK Nordost gemeinsam mit den Partnern vor Ort in zahlreichen Projekten, die im Kern drei Lösungsansätze verfolgen: notwendige Versorgungsangebote erhalten, Distanzen überwinden und Patienten mit besonderem Bedarf auch besonders zu unterstützen. Hierfür hat die Gesundheitskasse passgenaue Programme entwickelt, welche die Versorgung vor allem im ländlichen Raum nachweislich verbessern.

Weitere Informationen

Mit den vielfältigen und herausfordernden Aufgaben der Versorgung in der stationären Pflege beschäftigt sich auch der Pflegereport 2022 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO). Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des WIdO beleuchten insbesondere die Frage, ob die Pflegeheime ausreichend für die Versorgung der Menschen am Lebensende gerüstet sind und an welchen Stellen es noch hakt.

Pressemappe: https://www.wido.de/publikationen-produkte/buchreihen/pflege-report/2022/

Pressemitteilung (30.8.2022): https://www.aok.de/pk/cl/nordost/inhalt/mit-telemedizin-gegen-aerztemangel-in-pflegeheimen/

 

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