„Genug Potential, die Zahl der Behandlungen zu erhöhen“

Ein älterer Mann wird von einem Rettungssanitäter auf einer Trage geschoben.

Das Transplantationszentrum in Rostock will die Behandlungsqualität verbessern und hat dafür ein neues, zukunftsweisendes Konzept vorgelegt. Treiber für diesen Schritt waren die gesetzlichen Krankenkassen und federführend die AOK Nordost. Warum dieses Beispiel Schule machen sollte, erläutert AOK Nordost-Vorständin Daniela Teichert im Interview.

Frau Teichert, das Transplantationszentrum an der Universitätsmedizin Rostock (UMR) hat ein neues Konzept vorgelegt, das die UMR gemeinsam mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen in Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet hat. Dieses Konzept sichert nun den Erhalt der Transplantationsmedizin in Rostock. Wie kommt es, dass die Krankenkassen – und hier federführend die AOK Nordost – den Vorschlag für dieses Konzept gemacht haben?

Die Vorgeschichte ist diese: Die UMR hatte die sogenannte Mindestmenge für Lebertransplantationen zuletzt verfehlt. Das ist eine Qualitätsvorgabe, die greift, wenn mehrere Studien zeigen, dass ein Mindestmaß an Routine notwendig ist, um bei komplexen Eingriffen ein gewisses Qualitätsniveau zu erfüllen. Die Krankenkassen haben die gesetzlich vorgeschriebene Aufgabe, die Einhaltung der Mindestmengen sicherzustellen. Bei der UMR hatte die Prüfung zunächst ergeben: die Voraussetzungen reichten nicht aus, um die Prognose der UMR aus dem Jahr 2023 zu bestätigen, dass die Mindestmenge bei Lebertransplantationen im Jahr 2024 erreicht wird.

Es brauchte eine neue Perspektive, nicht nur einen Teilbereich, sondern die Transplantationsmedizin insgesamt in den Blick zu nehmen. Konkret haben wir mit Unterstützung des Gesundheitsministeriums den Vorschlag gemacht, dass die UMR ein zukunftsweisendes und nachhaltiges Konzept für die gesamte Transplantationsmedizin erarbeiten soll. Dieses Konzept haben wir dann intensiv miteinander diskutiert. Wir sind sehr froh, gemeinsam einen Weg gefunden zu haben, der die Versorgung der Bevölkerung mit diesen Leistungen auf einem Qualitätsniveau erhält, das wir mittragen können und wollen. Allerdings, und dass ist die Bedingung, muss die Mindestmenge perspektivisch wieder erreicht werden.

Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost

Zunächst hatten ja die Krankenkassen und Ersatzkassen den Antrag auf eine Ausnahmegenehmigung für den Erhalt der Lebertransplantation an der Universitätsmedizin Rostock abgelehnt. Nun stimmen die Kassen doch zu. Was
hat zu diesem Sinneswandel geführt? War es der politische Druc
k?

Wir hatten auf der Basis der uns zur Verfügung stehenden Unterlagen und der Argumentationen, die uns vorgelegt wurden, zunächst keine andere Möglichkeit, als den Ausnahmeantrag abzulehnen. Mit dem neuen Konzept, welches die UMR vorgelegt hat, hatten wir eine andere Diskussionsgrundlage. Konkret: Dadurch, dass es an der UMR künftig eine spezialisierte Intensivstation geben wird, auf der alle Organtransplantierten betreut werden, steigen Routine und Erfahrung der Pflegekräfte, die die Patientinnen und Patienten betreuen. Zudem wird die UMR mit Unterstützung der Landesärztekammer künftig für die Ärztinnen und Ärzten, die am Transplantationszentrum arbeiten, eine strukturierte Weiterbildung im Fachgebiet Transplantationsmedizin ermöglichen. Auch die Pflegekräfte sollen künftig eine entsprechende Weiterbildung in Anspruch nehmen.

Wir begrüßen diesen Entschluss sehr. Wir wissen von den Fachgesellschaften, dass die zielgerichtete Qualifikation von ärztlichem und pflegerischem Personal ganz wesentlich dazu beiträgt, die Behandlungsqualität hochzuhalten oder eben zu erhöhen. Insgesamt waren es sehr konstruktive und fruchtbare Gespräche, bei denen seitens der UMR ein echtes Bemühen zu erkennen war, die Transplantationsmedizin perspektivisch anders und zukunftsträchtiger aufzustellen. Auf dieser Basis haben wir nun dem Ausnahmeantrag zugestimmt.

Trotzdem bleibt die gesetzliche Vorgabe bestehen, dass die Mindestmenge perspektivisch eingehalten werden muss. Wie soll das denn künftig am Transplantationszentrum der UMR erreicht werden?

Wir wissen: Rund die Hälfte der Patienten aus Mecklenburg-Vorpommern, die in den vergangenen Jahren eine Lebertransplantation benötigten, wurden außerhalb des Bundeslandes transplantiert. Das heißt, es gibt gemessen am Bedarf genug Potenzial, die Zahl der Lebertransplantationen in Rostock zu erhöhen und damit auch die Mindestmengen erreichen zu können. Es ist nun eine gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten, die Zuweisungsstrukturen dahingehend zu verändern, dass sich möglichst viele Patienten aus MV, die einen solchen Eingriff brauchen, für eine Transplantation in Rostock entscheiden und sich an die UMR überweisen lassen.

Es bedeutet: Alle in diesem Behandlungsbereich tätigen Mediziner aus MV, aber auch die Patienten selbst können einen Beitrag dazu leisten, dass das Transplantationszentrum in Rostock eine Zukunft hat – indem sie sich in Rostock transplantieren lassen und nicht in Berlin oder Hamburg. Ob das in ausreichendem Maß passiert, werden wir in den nächsten Jahren im Blick haben. Auch die berühmte „Abstimmung mit den Füßen“ wird daher über die Perspektive des Transplantationszentrums an der UMR entscheiden.

Höhere Anforderungen an die Behandlungsqualität kommen künftig auf sehr viele Krankenhäuser zu. Das sieht die geplante Krankenhausreform vor. Ist die UMR aus Ihrer Sicht ein Vorbild, weil sie versucht, sich auf diese höheren Qualitätsanforderungen einzustellen – anstatt dagegen zu kämpfen?

Ja. Diese Vereinbarung ist aus meiner Sicht ein sehr gutes Beispiel. Prinzipiell müssen sich alle Krankenhäuser intensiv damit beschäftigen, in welcher Art und Weise sie in Zukunft qualitätsgesicherte Leistungen erbringen wollen. Die UMR hat inzwischen verstanden, dass die Sicherung von Behandlungsqualität eine notwendige Voraussetzung dafür ist, ein bestimmtes Behandlungsangebotes zu sichern. Und dieses Ziel kann nur gemeinsam mit den Kassen erreicht werden kann. Und nicht gegen die Kassen.

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