In Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sind die Menschen im vergangenen Jahr wieder häufiger zur Hautkrebsvorsorge gegangen. Das geht aus einer aktuellen Datenanalyse der AOK Nordost hervor. Warum die Hautkrebsvorsorge Leben retten kann, das erläutert Prof. Ernst Klar, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Landeskrebsgesellschaft M-V e.V. im Interview.
Herr Professor Klar, laut Statistischem Bundesamt starben im Jahr 2022 in Deutschland 4.400 Menschen an Hautkrebs, mehr als im Straßenverkehr. Hätte sich verhindern lassen, dass diese Menschen versterben – wenn sie frühzeitig zur Hautkrebsvorsorge gegangen wären?
Bei der Vorsorge kann der behandelnde Arzt Vorstufen von Krebs oder sehr frühe Stadien der Krebserkrankung diagnostizieren. Beide können in der Regel geheilt werden. Wenn man abwartet, bis sich Beschwerden entwickeln, und erst dann zum Arzt geht, ist die Erkrankung meist schon fortgeschritten. Dann ist die Prognose, den Hautkrebs heilen zu können, deutlich schlechter.
Wer ist eigentlich… Prof. Ernst Klar?
Prof. Ernst Klar ist Geschäftsführer der Landeskrebsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern. Bis zum Jahr 2019 war ein langjähriger Direktor der chirurgischen Klinik an der Universitätsmedizin Rostock.
Durch die Corona-Pandemie ist die Teilnahmequote bei der Hautkrebsvorsorge zurückgegangen. Doch dieser Trend hat sich gedreht. Im vergangenen Jahr sind in Mecklenburg-Vorpommern laut AOK-Analyse rund 16.000 mehr Menschen zur Hautkrebsvorsorge gegangen als im ersten Pandemie-Jahr 2020. Damit ist die Teilnahmequote wieder fast so hoch wie vor der Pandemie. Wie bewerten Sie das?
Das ist eine ausgesprochen erfreuliche Entwicklung. Gemeinsam mit der AOK Nordost haben wir im November 2022 zum Tag der Krebsvorsorge darauf hingewiesen, dass durch Corona die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen signifikant zurückgegangen ist. Nicht nur bei Hautkrebs, sondern auch bei anderen Krebsarten. Es war sehr beunruhigend, dass sich in unserem Bundesland eine steigende Dunkelziffer von Krebs-Erkrankungen entwickelt, die nicht erkannt werden. Dass viele Menschen die Vorsorge nun nachgeholt haben, ist vor diesem Hintergrund ausgesprochen wichtig und bewahrt viele vor einem langen Leiden.
Zur Wahrheit gehört aber auch: Nur rund 40 Prozent der Menschen geben an, regelmäßig zur Hautkrebsvorsorge zu gehen. Das hat eine repräsentative forsa-Umfrage im Auftrag des AOK-Bundesverbandes ergeben. Was ist ihre Botschaft an die anderen 60 Prozent?
Ich gehe davon aus, dass insbesondere bei vielen jüngeren Menschen eine gewisse Gleichgültigkeit herrscht gegenüber dem Thema Krebs, die teilweise nachvollziehbar ist, weil man in diesem Alter nicht mit Krankheit rechnet und andere Herausforderungen hat. Leider besteht aber auch bei Menschen, die jung und gesund sind, ein Risiko, an Hautkrebs zu erkranken. Als Chirurg habe ich selbst bei jungen Patientinnen und Patienten schwere Verläufe von Hautkrebs gesehen und behandelt in Form von Absiedlungen entlang der Lymphbahnen in Leiste und Achselhöhle.
Gerade der Hautkrebs ist, wenn er fortschreitet, ausgesprochen aggressiv. Er bleibt nicht mehr an der Stelle, wo er entstanden ist, sondern es schwimmen Krebszellen frühzeitig in Lymphknotenregionen ab und von da aus in den Gesamtkörper und die Organe, auch insbesondere in das Gehirn. Diese schweren Verläufe enden oft tödlich. Das kann durch die Inanspruchnahme der Hautkrebsvorsorge verhindert werden, denn im Frühstadium ist Hautkrebs heilbar.
Wie läuft denn eine solche Hautkrebsuntersuchung ab?
Die Vorsorge ist, wie bei kaum einer anderen Krebsart, nicht eingreifend. Der Hautarzt inspiziert, er tastet und schaut sich die Haut am gesamten Körper genau an, benutzt an verdächtigen Stellen Lupen und intensives Licht. Von Stellen, die im Verlauf angeschaut werden müssen, erfolgen Aufnahmen in starker Vergrößerung zum späteren Vergleich. Diese Untersuchung ist aufwändig, jedoch mit keinerlei Belastungen oder gar Schmerzen verbunden.
Die forsa-Umfrage hat auch gezeigt, dass jeder Vierte, der die Kontrolle bisher nicht genutzt hat, gar nicht wusste, dass es diese Leistung gibt. Was müsste getan werden, um die Bekanntheit zu steigern?
Die Hausärzte spielen bei der Umsetzung der Hautkrebsvorsorge eine Schlüsselrolle. Sie können ihre Patientinnen und Patienten noch systematischer als bisher auf die Hautkrebsvorsorge hinweisen und zur Durchführung motivieren. Viele würden aufgerüttelt werden, sich weiter zu kümmern. Zudem spielt der Hausarzt eine wesentliche Rolle, weil er bei Auffälligkeiten, die der Patient berichtet, auch weiter zum Hautarzt überweist.
Um das Bewusstsein für die Krebsvorsorge insgesamt zu steigern, finde ich auch den Vorsorge-O-Maten des AOK-Bundesverbandes sehr empfehlenswert. Da kann man sich mit mit wenigen Klicks informieren, welche Vorsorgeuntersuchung im jeweiligen Alter wahrgenommen werden sollte. Man sollte sich unbedingt einmal informieren, wieviel Untersuchungen mittlerweile auf wissenschaftlicher Basis empfohlen und von den Krankenkassen angeboten werden.
Auch bei der Prävention von Hautkrebs ist noch Luft nach oben. Rund ein Drittel der Deutschen cremt sich nicht regelmäßig mit Sonnencreme ein. Die Krebsgesellschaft setzt sich mit dem SunPass-Projekt dafür ein, dass Kitas mehr auf ausreichenden Sonnenschutz achten. Was ist das Ziel dieser Präventionskampagne?
Wir als Krebsgesellschaft M-V haben diese Präventionskampagne vor vier Jahren gestartet und werden aktuell durch das „GKV-Bündnis für Gesundheit“ dabei unterstützt. Ziel ist es, den Sonnenschutz für die kindliche Haut zu verbessern, weil diese noch keine Schutzfaktoren ausgebildet hat und damit viel empfindlicher als beim Erwachsenen ist. Jeder Sonnenbrand im Kindesalter erhöht deshalb das Hautkrebsrisiko im Erwachsenenalter.
Deshalb schulen wir jedes Jahr landesweit über 50 Kitas und leiten das Mitarbeiterteam an, ein Gesamtkonzept zum Sonnenschutz umzusetzen. Da geht es zum Beispiel darum, die Spielplätze der Kitas mit Sonnensegeln auszustatten, damit die Kinder mehr Schatten beim Spielen haben. Zudem werden die Erzieherinnen und Erzieher darin geschult, auf konsequenten Sonnenschutz zu achten durch Sonnencreme, Kopfbedeckungen und passende Kleidung. Und, ganz wichtig: das Konzept wird auch auf Elternabenden vorgestellt. Damit schaffen wir auch bei den Eltern, die dem Thema bislang vielleicht noch zu wenig Beachtung geschenkt haben, ein höheres Bewusstsein dafür, wie wichtig der Sonnenschutz für ihre eigenen Kinder aber auch für sie selbst ist. Wir prüfen dann, ob die Empfehlungen umgesetzt wurden. Wenn ja, gibt es eine Auszeichnung als „Sunpass-Kita“, die zeigt: In dieser Kita gibt es eine optimale Aktivität hinsichtlich der Verhinderung einer zu starken Sonneneinstrahlung für die Kinder.