Im vergangenen Winter ist die Erkältungswelle ausgeblieben. Doch mit den Lockerungen und dem Hauch von Alltagsnormalität seit Ende Mai ist auch die Anzahl an Atemwegsinfekten wieder gestiegen – und erreicht beinahe das Durchschnittniveau der Vorjahre. Das hat eine Analyse anonymisierter Versichertendaten der AOK Nordost ergeben.
Dafür wurden alle Krankmeldungen von Versicherten der Gesundheitskasse wegen eines Infekts der oberen Atemwege erfasst und mit dem Mittelwert der Jahre 2018 bis 2020 verglichen. Das Ergebnis: Von Januar bis April diese Jahres meldeten sich noch 57 Prozent weniger Versicherte wegen einer Erkältung krank als im Vorjahresmittel. Seitdem nehmen die Unterschiede wieder ab und nähern sich dem Vor-Corona-Niveau an: Von Mai bis Mitte Juli meldeten sich insgesamt 36.473 Versicherte wegen eines Infekts der oberen Atemwege krank – das sind nur noch rund 15 Prozent weniger als zum Vergleichszeitraum der Vorjahre.
„Die Ergebnisse zeigen, dass sich Atemwegsinfekte derzeit fast wieder so stark verbreiten wie vor der Corona-Pandemie. Wenn wir gut durch die kalte Jahreszeit kommen wollen, ist es elementar wichtig, jetzt die Impfbereitschaft in der Bevölkerung zu erhöhen, um hohe Corona-Infektionszahlen im Herbst zu vermeiden“, kommentiert Dr. med Frank Dörner, Allgemeinarzt im AOK-Ärztehaus Centrum für Gesundheit die Ergebnisse der Datenanalyse.
Die Analyseergebnisse legen den Schluss nahe, dass die Lockerungen das? Risiko, sich mit herkömmlichen Infekten anzustecken, erhöht haben. Mit dem Auslaufen der Bundesnotbremse im Mai wurden wieder mehr Kontakte möglich.
Anzahl der Atemwegsinfekte nimmt wieder zu
Schaut man sich die Zahlen im Detail an, wird noch deutlicher, wie groß die Schutzwirkung der Maßnahmen auch in Bezug auf herkömmliche Atemwegsinfekte war: Meldeten sich in der Woche vom 8. bis 14. März 2021 insgesamt 4.068 AOK Nordost-Versicherte Berlin, Brandenburg und MV krank, waren es in der gleichen Woche in den Vorjahren 15.700 Versicherte – etwa 3,8-mal so viele. In der Woche vom 21. bis 27. Juni hingehen war der Unterschied kaum noch spürbar: 3.225 Versicherte meldeten sich in diesem Jahr krank, verglichen mit 2.528 in den Jahren zuvor.
„Bisher war durch die Einhaltung der Hygienemaßnahmen ein Rückgang der wirklich schweren Atemwegsinfekte zu sehen. Aufgrund der Aufweichung der Hygieneregeln wird dies aber mit höchster Wahrscheinlichkeit gerade im Herbst und zu Beginn des Winters komplett anders werden. Es ist zu befürchten, dass hier ein deutlicher Anstieg stattfindet gerade bei den Menschen, die sich weder gegen Influenza noch Corona impfen lassen wollen“, so Dr. Dörner.
Dass die „Impfwilligkeit“ derzeit stark abnimmt, sieht er sehr kritisch: „Ich halte es für extrem wichtig, gerade in der migrantischen Community noch besser aufzuklären. Ich sehe in meinem Praxisalltag oft, dass hier immer noch viele Falschinformationen im Umlauf sind. Auf diese Gruppen sollte im Hinblick auf Herbst und Winter definitiv ein Fokus bei der Impfung gelegt werden.“