Das Solidarprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung steht auf der Kippe

Ist das Solidarprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Gefahr? Diese Frage stellt sich, wenn man sich die Beitragsanpassungen der gesetzlichen Krankenkassen im Jahr 2023 anschaut, die vom Gesetzgeber erzwungen wurden.

Die Starken helfen den Schwachen

In der solidarischen Krankenversicherung helfen die Stärkeren den Schwächeren, die Gesunden sorgen für die Kranken, hohe Einkommen unterstützen niedrige Einkommen, der Beitragszahler hilft den mitversicherten Familienangehörigen ohne Einkommen, die jungen Menschen helfen den alten. Wenn der Staat möchte, dass dieses System darüber hinaus zusätzliche Aufgaben übernimmt, dann muss der Staat dafür auch die Finanzierung sicherstellen. Nur so kann das solidarische System der GKV nicht ausgehöhlt werden.

„Die Bundesregierung muss an ihrem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag festhalten, sich an den steigenden Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung zu beteiligen. Es ist nicht länger hinnehmbar, dass die Mitglieder der Krankenversicherung und deren Arbeitgeber stets gesamtgesellschaftliche Aufgaben mit eigenen Mitteln finanzieren müssen“, sagt Daniel Kostetzko, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der Arbeitgeberseite bei der AOK Nordost.

Nur ein mit zusätzlichen Steuermitteln ausreichend gefüllter Gesundheitsfonds kann steigende Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen kompensieren.

Verwaltungsrat der AOK Nordost verlangt zukunftssichere Finanzierung

Auf seiner Sitzung am 18. Juni zog der Verwaltungsrat der AOK Nordost ein gemischtes Fazit zur finanziellen Lage der Gesundheitsversorgung. Trotz erschwerter Rahmenbedingungen wurden die Haushaltsziele der AOK Nordost eingehalten. „Gleichzeitig zieht sich der Bund immer weiter zurück, wenn es um eine zukunftssichere Finanzierung der gesetzlichen Versorgung der Menschen geht. Das gefährdet auf Dauer das Solidarprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung“, sagt Knut Lambertin, alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrats für die Versichertenseite bei der AOK Nordost.

Forderungen von Krankenkassen nach nachhaltigen Reformen verhallen ungehört, so der Verwaltungsrat. Stattdessen: Die Beiträge an die gesetzlichen Krankenkassen würden stellenweise für gesamtgesellschaftliche Aufgaben eingesetzt. Bisher geschehe dies beispielsweise bei den Beiträgen für die Bürgergeldempfängerinnen und -empfänger. Dort leisten die Beitragszahlenden der GKV mit einem Anteil von rund zwei Drittel der Ausgaben deutlich mehr als der Staat, der nur ein Drittel der Beiträge übernimmt. Das kritisieren die beiden Vorsitzendes des Verwaltungsrates. Für 2023 liegt der geschätzte Kostenanteil für die Krankenkassen allein bei dieser überproportionalen Mitfinanzierung bei rund 10 Milliarden Euro (s. Quelle 2, FAZ). Auf der anderen Seite bezuschusse der Staat die Prämien von privat versicherten Bürgergeld-Beziehern derzeit mit bis zu 421,77 Euro monatlich, was 302,17 mehr sei als für die gesetzlich Versicherten, die Bürgergeld beziehen.

Kennzahlen der Jahresrechnung 2023

Das Haushaltsvolumen, und somit die Ausgaben für die Versicherten der AOK Nordost, betrug 2023 rund 8,54 Milliarden Euro und stieg damit um 5,4 Prozent. Der Fehlbetrag für das Geschäftsjahr 2023 beträgt 13,5 Millionen Euro und liegt damit auf dem Niveau des Vorjahres 2022. Die Jahresrechnung 2023 der AOK Nordost wurde am 18. Juni 2024 vom Verwaltungsrat der AOK Nordost abgenommen und der Vorstand entlastet.

Um Kostensteigerungen entgegenzuwirken, musste Anfang 2023 der Zusatzbeitragssatz der AOK Nordost um 0,2 Prozentpunkte erhöht werden. Darüber hinaus musste die AOK Nordost 14,5 Millionen Euro aus den Beitragsrücklagen an den Gesundheitsfonds abführen, was die Gesundheitskasse zusätzlich belastet hat.

Ein erfreuliches Ergebnis konnte im Bilanzjahr 2023 bei den Verwaltungsausgaben erreicht werden, die unter anderem durch Sparanstrengungen um 6,3 Prozent reduziert wurden.

Nennenswerte Steigerungen der Ausgaben gab es beispielsweise bei den Krankenhausbehandlungen mit einem Gesamtanteil der Kosten von drei Milliarden Euro, was einer Steigerung um zehn Prozent entspricht. Die Ausgaben für Arzneimittel stiegen um 2,3 Prozent.

Fazit der Jahresrechnung 2023

Ohne die gesetzlich erzwungene Vermögensabführung an den Gesundheitsfonds wäre das Ergebnis der AOK Nordost für 2023 positiv, so die Vorsitzenden des Verwaltungsrates. Diese Feststellung bringe uns zurück zum Bundesgesundheitsminister Lauterbach, der im September 2022 anlässlich des damals geplanten GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes im Deutschen Bundestag eine verheißungsvolle Rede gehalten habe. Darin hieß es, die Bundesregierung böte Menschen Sicherheit. Auch in Zeiten von „Gefahr und Wandel“ könne man sich auf die Gesundheitsversorgung im Land verlassen. Der Verwaltungsrat der AOK Nordost will klarmachen, dass hierfür zumindest die finanzielle Basis gesichert sein muss. Die Vorsitzenden des Verwaltungsrates, Knut Lambertin und Daniel Kostetzko, erwarten: “Die Bundesregierung muss ihren Worten endlich auch die entsprechenden Taten folgen lassen!“


Quellen:

https://www.bundesgesundheitsministerium.de/presse/reden/gkv-finanzstabilisierungsgesetz-bt-1

Weitere Quellen:

(1) https://www.bpb.de/themen/gesundheit/gesundheitspolitik/252233/das-solidarprinzip-in-der-gesetzlichen-krankenversicherung

(2) https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/buergergeldbezieher-kosten-kassen-9-2-milliarden-euro-19741839.html

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