Parteien-Check: Großbaustelle Krankenhausreform

Die Corona-Pandemie, die das deutsche Gesundheitssystem seit vielen Monaten bewältigen muss, hat vor allem die Krankenhäuser in den Fokus gerückt. Schon früh wurde ihnen eine Schlüsselrolle in der Versorgung zugesprochen, die Auslastung auf den Intensivstationen ist ein wichtiger Gradmesser in der Corona-Krise. Auch wenn die Krankenhäuser die Intensivversorgung aktuell gut bewältigen. Das darf nicht von der grundsätzlichen Reformbedürftigkeit der Klinikversorgung ablenken, die sich schon vor der Pandemie gezeigt hat: Das komplexe Vergütungssystem ist aufwändig und anfällig für Manipulationen, die Finanzierung der Investitionskosten durch die Länder ist nicht auskömmlich, es mangelt an Pflegepersonal, Ambulantisierungsmöglichkeiten werden zu wenig genutzt und Spezialisierung sowie Leistungskonzentration finden kaum statt. Zugleich kommen die Chancen der Digitalisierung noch nicht ausreichend zum Tragen. Es braucht Lösungen, durch die eine bedarfsgerechte, hochwertige und effektive Versorgung mit Klinikleistungen gelingt und Lösungen, die regionale Voraussetzungen berücksichtigen. 

Positionen der Parteien zur stationären Versorgung

Bei den Parteien, die im Bundestag vertreten sind, herrscht weitgehend Konsens darüber, dass die Reform der Krankenhausstruktur zu den gesundheitspolitischen Großprojekten der nächsten Legislaturperiode gehören muss. In den Wahlprogrammen werden zum stationären Versorgungsbereich einige Überlegungen skizziert. Jedoch wird auch auf die Stärkung der sektorenunabhängigen Versorgung gesetzt. 

Die Unionsparteien CDU/CSU wollen eine bedarfsgerechte und flächendeckende Grund- und Regelversorgung in der Planungs- und Finanzierungssystematik stärker berücksichtigt sehen, insbesondere im ländlichen Raum. Gleichzeitig soll eine stärkere Bündelung der klinischen Angebote für komplexe Behandlungen erfolgen. Medizinisches Spezialwissen soll mithilfe des „virtuellen Krankenhauses“ überall verfügbar gemacht werden und telemedizinische Anwendungen sollen die Versorgung vor Ort verbessern. Wie der Spagat zwischen der angesichts der Sozialgarantie zweifellos notwendigen Einsparungen im Gesundheitswesen und angesichts einer breiten und kleinteiligen Krankenhausstruktur in der Fläche geschafft werden soll, darauf gibt die Union keine Antworten. Immerhin soll „die Offensive des Bundes für mehr digitale Investitionen in den Krankenhäusern“ weitergeführt und verstärkt werden. An der seit Jahren bestehenden Grundsatzproblematik der nicht auskömmlichen Investitionskostenfinanzierung durch die Bundesländer ändert das jedoch nichts. 

Der Vergleich: Hier als PDF herunterladen.

Der bisherige Koalitionspartner SPD setzt ebenfalls auf eine „bedarfsgerechte Grundfinanzierung“ der Krankenhäuser. Das System der Fallpauschalen soll überprüft und die Fallpauschalen überarbeitet oder auch abgeschafft werden. Für die Kinder- und Jugendmedizin soll ein neues Finanzierungssystem die Fallpauschalen komplett ablösen. Die SPD fordert zudem deutlicher als die Union, dass Krankenhäuser sich stärker für „ambulante, teambasierte und interdisziplinäre Formen der Versorgung“ öffnen, um die Rollenverteilung zwischen den Sektoren neu zu ordnen. Das ist sinnvoll angesichts der dadurch entstehenden Gestaltungsmöglichkeiten insbesondere in ländlichen Regionen. Für die SPD bieten integrierte Versorgungszentren das Potenzial, in ländlichen Regionen die Versorgung aufrecht zu erhalten. Auch diese sollen angemessen finanziert werden.  

Bündnis 90/Die Grünen fordern, Krankenhäuser „nach gesellschaftlichem Auftrag“ zu finanzieren und mahnen eine verbindlichere Landeskrankenhausplanung auf Basis von bundesweit gemeinsamen Planungsgrundsätzen an. Die Finanzierung soll auf neue Füße gestellt werden und eine starke Strukturfinanzierungskomponente beinhalten. Die Lücke in der Investitionskostenfinanzierung soll durch eine gemeinsame Anstrengung von Bund und Ländern geschlossen werden. Auch die Grünen haben eine flächendeckende Grundversorgung zum Ziel. Ambulante und stationäre Angebote sollen künftig übergreifend geplant und in eine gemeinsame Abrechnungssystematik gebracht werden. Vorgaben zur Personalbemessung, Behandlungs- und Versorgungsqualität sollen eine hochwertige Versorgung sichern.  

Eine Verbesserung der Investitionskostenfinanzierung fordert auch die FDP. Sie schlägt zudem vor, eine höhere Qualität auch in der Vergütung zu belohnen. Etwas unkonkret wird gefordert, die Strukturreform „verantwortungsvoll weiterzuentwickeln“. Ebenfalls ohne Erläuterung, aber strikt abgelehnt wird eine „Planungshoheit der Krankenkassen für die Versorgungsstrukturen“. Schließlich bekennt sich die FDP dazu, auch Fehlanreize für eine Überversorgung und ein Überangebot an Krankenhausleistungen bereinigen zu wollen. 

Die Linke fordert die komplette Überführung der Kliniken in kommunale, öffentliche oder gemeinnützige Trägerschaft und ein Verbot, Gewinne abzuführen. Die Länder müssten gegenüber den Krankenhausträgern stärkere Planungsrechte haben. Für die Rekommunalisierung soll ein Bundesfonds eingerichtet werden. Betriebskosten sollen künftig vollständig refinanziert und diagnosebezogene Fallgruppen (DRG) abgeschafft werden.  

Die AfD setzt sich für individuelle Finanzierungsvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Kliniken ein, in die das Leistungsgeschehen, Prüfungsergebnisse, Versorgungsbedarf und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einfließen sollen. Der Anteil von Kliniken in privater Trägerschaft soll auf maximal 60 Prozent begrenzt werden.  

Krankenhausreform: In den alten Sektorengrenzen funktioniert es nicht

Alle genannten Parteien betonen die Bedeutung der Krankenhäuser für die Versorgung, vor allem in den ländlichen Regionen. Bedarfsgerecht, flächendeckend, wohnortnah und hochwertig soll die Krankenhausversorgung in Stadt und Land sein. Aber bei der Frage, was sich ändern muss, um das auch künftig zu ermöglichen, wird zum Teil große Zurückhaltung deutlich. Allen ist bewusst, dass die finanziellen Spielräume gering und die notwendigen Veränderungen komplex sind.  

Die AOK Nordost vertritt die Meinung, dass tiefgreifende, mutige Strukturveränderungen nötig sind, um die Herausforderungen nachhaltig zu bewältigen. Künftig muss und kann angesichts der knappen Ressourcen und zum Teil geringer Fallzahlen nicht jedes Krankenhaus alles anbieten. Stattdessen braucht es fachliche Konzentration von Expertise (Zentrenbildung), deren digitale Vernetzung untereinander und die Ausschöpfung des regionalen Potentials für die Ambulantisierung. Für eine hohe Qualität der medizinischen Versorgung müssen alle verfügbaren Ressourcen und Kompetenzen sinnvoll gebündelt werden, wobei stets die regionalen Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. 

Voraussetzung dafür ist eine sektorenunabhängige, gemeinsame Versorgungsplanung und auch sektorenübergreifende Finanzierungsformen, die sich an den individuellen Behandlungsergebnissen der Patientinnen und Patienten orientieren. Eine hochwertige, bedarfsgerechte Versorgung ist auf eine geeignete, moderne Infrastruktur angewiesen. Die Länder müssen daher ihrer Investitionsverantwortung für die Kliniken nachkommen.  

Das AOK-System hat Vorschläge für Veränderungen des Krankenhaus-Vergütungssystems und die Weiterentwicklung der Krankenhausplanung in einem gesonderten Positionspapier in die Diskussion eingebracht.  

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