Parteien-Check GKV-Finanzierung: Notwendige Reformen für ein kränkelndes System

Die Gesetzlichen Krankenkassen befinden sich in einer angespannten finanziellen Lage. Das Finanzergebnis des 1. Halbjahres zeigt ein Defizit von 1,9 Milliarden Euro. Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Denn die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) schiebt eine strukturelle Lücke von etwa 20 Milliarden vor sich her, die nur noch durch Bundeszuschüsse und den Griff in die Kassen-Reserven notdürftig gedeckt werden kann. Und die Aussichten für 2022 sind nicht besser. Gut gemeinte, aber teure Gesetze zeigen jetzt ihre finanziellen Schattenseiten. Hinzu kommt eine immer stärkere Zunahme altersbedingter Erkrankungen in einer immer älter werdenden Gesellschaft. Besonders ländliche Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg spüren den demographischen Wandel schon heute auf dramatische Weise. Es droht ein starkes Stadt-Land-Gefälle, bei dem die Flächenländer das Nachsehen haben. Leider entschärft eine immer komplexer werdende medizinische Versorgung mit immer teureren Behandlungsmethoden dieses Problem nicht, sondern verschärft eher noch die finanzielle Lage der GKV. Die Gefahr: trotz immer höherer Kosten eine Über-, Unter- und Fehlversorgung.    

GKV-Finanzierung: Immer wieder dieselben Stellschrauben

Die Parteien haben dieses Problem ebenfalls als eines der drängendsten in der Gesundheitspolitik für die nächste Legislaturperiode erkannt und beschäftigen sich in ihren Wahlprogrammen intensiv mit den Lösungen für dieses strukturelle Problem. Dabei setzt die CDU/CSU auf alt Bewährtes. Die Union will auch zukünftig am System aus einkommensabhängigen paritätischen Beiträgen festhalten, ergänzt durch Eigenbeteiligung und den Steuerzuschuss für versicherungsfremde Leistungen. Die einzige längerfristige Perspektive ist, die Lohnnebenkosten auf einem stabilen Niveau zu halten. Details für eine Lösung der absehbaren Finanzierungsprobleme der GKV werden nicht verraten.  

Der Vergleich: Hier als PDF herunterladen.

Bündnis 90/Die Grünen gehen gedanklich einen großen Reformschritt und setzen sich das Zielbild einer Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege. Eine Reform in dieser Größenordnung würde jedoch den Zeitraum einer Legislaturperiode sprengen und wird im Wahlprogramm auch nicht weiter konkretisiert.  

Die SPD schlägt ebenfalls die Einführung einer Bürgerversicherung vor. Zusätzlich stellen sich die Sozialdemokraten eine stabile GKV-Finanzierung mit Steuerzuschüssen und eine Kopplung von Investitionsmitteln an klare Zielvorgaben für eine Reform des Systems vor. Die Beitragsmessungsgrenze soll – sofern es nach der SPD geht – weiterhin regelmäßig angepasst werden.  

Für eine Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze setzt sich Die Linke ein. Dazu stellt sie sich eine Einbeziehung der Erwerbs- Kapital- und anderer Einkommen vor, die zu einer weiteren Beitragsentlastung führen soll und damit eher auf Umverteilung setzt.  

Für die AfD bildet das bestehende deutsche Gesundheitssystem die Grundlage ihrer Gesundheitspolitik. Mangels weiterer Aussagen zur Finanzierung, ist dies so zu deuten, dass an der grundsätzlichen Finanzierungssystematik festgehalten werden soll. 

Die FDP sieht in ihrem Vorschlag für eine stabile GKV-Finanzierung eine Schuldenbremse für die Sozialversicherung vor. Diese beinhaltet, dass zusätzliche versicherungsfremde Leistungen künftig aus dem Bundeshaushalt finanziert werden. Die Höhe der Sozialausgaben wird bei 50 Prozent des Bundeshaushalts gedeckelt und die Sozialabgabenquote soll unter 40 Prozent gesenkt werden.  

Nachhaltige Lösungen und notwendige Strukturreformen

Einige Ansätze sind in den Wahlprogrammen somit zu erkennen, aber keine der Parteien scheint die notwendigen und wirklich mutigen Schritte für eine nachhaltige, gerechte, sektorenübergreifende und beitragsfinanzierte Krankenversicherung vorangehen zu wollen. Doch genau diese Schritte müssen gegangen werden, um Versicherten auch in Zukunft eine optimale medizinische Versorgung zu ermöglichen, die wirtschaftlich ist, aber ebenso eine bestmögliche Qualität garantiert.  

Dazu ist ein Finanzierungsmix notwendig, der einen regelhaften und fairen Bundeszuschuss vorsieht. Die von Jens Spahn geplante Erhöhung des Bundeszuschusses um 12,5 Milliarden Euro für das Jahr 2022 wird dabei nicht ausreichen. Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, bezeichnete dieses Vorhaben Anfang Juni als „Schnellschuss im beginnenden Wahlkampf“, der die Defizite der GKV nur kurzfristig ausgleichen wird. „Was wir aber eigentlich brauchen, ist eine nachhaltige Lösung, die über 2022 hinauswirkt“, so Litsch. Mit einem regelmäßig an die Kosten angepassten Bundeszuschuss sollen gesamtgesellschaftliche Aufgaben gegenfinanziert werden, für deren Bewältigung ebenso die private Krankenversicherung einbezogen werden.   

Nach Ansicht der AOK Nordost kann eine nachhaltige Finanzierung darüber hinaus unter anderem durch gerechte Beiträge, eine Mischung aus einer Anhebung des Beitragssatzes und der Zusatzbeiträge, gewährleistet werden. Der Zusatzbeitrag soll auch zukünftig als Wettbewerbsinstrument der GKV dienen. Mit kurzfristigen Einsparungen durch die Leistungserbringer kann eine Stabilisierung der GKV-Finanzen unterstützt werden, bis echte Strukturreformen greifen. Neben einem fairen Bundeszuschuss aus Steuermitteln muss endlich auch die Private Krankenversicherung über eine Infrastrukturabgabe mehr Verantwortung für das Gesundheitssystem übernehmen. Jenseits der bekannten Instrumente sollte auch der Mut für alternative Finanzierungsformen, wie etwa „Weiße Anleihen“ aufgebracht werden. Denn es geht um nichts weniger als das Leistungsversprechen der GKV zu sichern: Eine qualitativ hochwertige und gleichzeitig wirtschaftliche Versorgung. 

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