Vielleicht haben Sie folgende Situation so oder ähnlich auch schon einmal erlebt: Eine Kollegin kehrt nach einer mehrwöchigen Krankschreibung an ihren Arbeitsplatz zurück. Vertraute Mitarbeiter fragen vorsichtig, ob alles auskuriert sei und erhalten nur ausweichend Antwort. Einer der Gründe für das Ausweichen könnte eine psychische Erkrankung sein, über die die betroffene Person aus Scham nicht reden möchte.
Im abgelaufenen Jahr 2021 waren psychische Erkrankungen laut dem AOK-Fehlzeiten-Report die zweithäufigste Ursache bei mehrwöchigen Krankschreibungen – nach Muskel-Skelett-Erkrankungen. Doch noch immer sprechen wir bei Diagnosen wie einer Depression oder einer Angststörung in unserer Gesellschaft nicht offen genug darüber. Dabei gibt es Alarmzeichen und Risikofaktoren, die eine Erkrankung wahrscheinlicher machen. Ein entscheidender Faktor sind sicherlich die Phasen der Lockdowns, unter denen vor allem Kinder und Jugendliche litten. Die Pandemie war Ursache dafür, dass sie beispielsweise ihre Schul- oder Ausbildungsstätte nicht besuchen konnten und sich soziale Kontakte verringerten. Das Problem fehlender sozialer Kontakt trifft ebenfalls auf viele Erwachsene zu.
Prävention bei häufigen Stimmungsschwankungen
Die AOK Nordost mit ihrer sozialen Selbstverwaltung reagiert darauf, indem sie ihren Versicherten unterschiedliche Präventionsangebote unterbreitet. Eines der Ziele ist, dass Warnzeichen wie beispielsweise häufiger Stress rechtzeitig erkannt werden und die Widerstandsfähigkeit jedes Einzelnen gestärkt wird. So bietet etwa das Online-Programm moodgym.de allen Menschen mit depressiven und angstbezogenen Stimmungen Hilfe zur Selbsthilfe an. Der Familiencoach Depression richtet sich an AOK-Versicherte, die Rat suchen, wenn Angehörige an Depressionen erkranken.
Neben derlei Angeboten bei ersten Anzeichen einer Depression beobachtet die Wissenschaft eine steigende Anzahl an Fällen, bei denen sich psychische Erkrankungen manifestieren und ärztlich behandelt werden müssen. Das kann zum einen zu längeren ambulanten Behandlungszyklen führen, zum anderen zu einer stationären Behandlung. Beides bedeutet, einmal nüchtern betrachtet, auch höhere Ausgaben. Durch vergangene Lockdowns stieg in einem weiteren Bereich – der Pflege – der Mehraufwand durch Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln, der Personalaufwand nahm zu. Auch dort erhöhen sich die Ausgaben. Derzeit gehen entstehende Folgekosten vor allem zu Lasten der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung.
Fairer Lastenausgleich durch Bundeszuschuss
Die Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherung darf nicht ausschließlich durch Beiträge und Zusatzbeiträge von Versicherten und Arbeitgebern geschultert werden. Das gilt vor allem dann nicht, wenn es um ein gesamtgesellschaftliches Problem wie die Pandemie geht. Deshalb hatte die soziale Selbstverwaltung schon bei der Vorgänger-Regierung die Absicherung der Leistungsfähigkeit der Krankenkassen angemahnt und hält diese Forderung auch über das Jahr 2022 hinaus an die neue Regierung aufrecht.
Deutschland hat neu gewählt. Die soziale Selbstverwaltung der AOK Nordost setzt sich dauerhaft für einen angemessenen Bundeszuschuss für eine faire finanzielle Belastung aller Teile der Gesellschaft bei gesamtgesellschaftlichen Problemen ein. Das gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherungssystem hat in der Pandemie bewiesen, dass es Krisen meistern kann und übernimmt weiterhin für unsere solidarische Kranken- und Pflegeversicherung die Verantwortung, aber nicht für das gesamte Gesundheitssystem. Das erwarten wir von der Politik.
Dieser Meinungsbeitrag erscheint auch im gedruckten Gesundheitsmagazin 01/2022.