Insbesondere in den ländlichen Regionen schreitet der demografische Wandel rasant voran. Die Bevölkerung in diesen Gebieten schrumpft und die Menschen, die noch bleiben, werden immer älter. Die Folge: Der Bedarf an medizinisch / pflegerisch / therapeutischen Leistungen ändert sich entsprechend. Auf der anderen Seite gibt es gerade in diesen Bereichen einen zunehmenden Fachkräftemangel.
Um das Leistungsversprechen der GKV auch künftig halten zu können, sind Anpassungen an der derzeitigen Gesundheitsversorgung notwendig. Durch die Entwicklung eines ganzheitlichen Versorgungsansatzes sollen Struktur, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung gesteigert werden. Die Gesundheitskasse hat zehn Vorschläge erarbeitet, wie sich eine regionale Gesundheitsversorgung der Zukunft im Einzelnen gestalten sollte (PDF der 10 Vorschläge für eine regionale Versorgung)
Versorgung in regionalen Verbünden organisieren
Die Versorgung wird durch einen gemeinsamen regionalen Verbund mit einer Managementkomponente organisiert und über regionale Behandlungspfade umgesetzt. Die Organisations- und Trägerschaftsformen werden regionenspezifisch entwickelt und ausgestaltet: z.B. in Form eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), eines „virtuellen MVZ“, wo die Leistungserbringer im Verbund organisiert sind, aber an ihren Standorten verbleiben, in Form eines Ambulant-Stationären Zentrums, eines Intersektoralen Gesundheitszentrums oder in diversen Mischformen. Von Haus- und Fachärzten organisierte Arztnetze können eine gut abgestimmte Versorgung umsetzen.
Ganzheitliche regionale Versorgungsplanung umsetzen
Um vor dem Hintergrund der genannten Herausforderungen weiterhin eine qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung für die Menschen vor Ort zu gewährleisten, braucht es aus Sicht der AOK Nordost eine ganzheitliche regionale Versorgungsplanung. Diese richtet sich bevölkerungsorientiert an den tatsächlichen regionalen stationären, ambulanten und pflegerischen Versorgungsbedarfen aus und ist in eine überregionale Versorgungsplanung eingebettet.
Bestehende stationäre Versorgungsstrukturen werden regional angepasst
Eine abgestufte stationäre Versorgung sichert sowohl die medizinischen Grundversorgungsbedarfe als auch eine qualitativ hochwertige spezialisierte Versorgung. Dabei werden ausgewählte kleine Landkrankenhäuser zu Ambulant-Stationären Zentren oder Intersektoralen Gesundheitszentren umgebaut. Gleichzeitig erfolgt eine Leistungskonzentration und Spezialisierung an entsprechend ausgerichteten Krankenhäusern, verbunden mit qualitätsbasierten Mindestmengenregelungen. Die bestmögliche Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten steht im Mittelpunkt.
Regionales Ambulantisierungspotenzial wird ausgeschöpft, die ambulante Versorgung gestärkt sowie medizinische Ressourcen effizient eingesetzt
An den Ambulant-Stationären oder Intersektoralen Zentren werden sogenannte Decision-Units zur 24-Stunden-Beobachtung errichtet. Die Möglichkeiten des ambulanten Operierens werden ausgeweitet und gefördert. Krankenhaus- und Fachärzte aus Reha-Einrichtungen sollen insbesondere bei regionalem (Fach-) Ärztemangel die Möglichkeit erhalten, auch ambulante Leistungen zu erbringen. Durch die Stärkung der ambulanten Versorgungsstrukturen in den Regionen sollen nicht notwendige stationäre Aufnahmen vermieden werden.
Digitale Unterstützungsmöglichkeiten werden überall eingesetzt
Die Einführung der ePA und der TI fördert die Vernetzung der Leistungserbringer untereinander und zwischen Leistungserbringern und Patienten. Gegebenenfalls werden weitere regionale Module an die bestehende Digitale Patientenakte angekoppelt.
Auch zur Überbrückung großer Entfernungen und regional begrenzter medizinischer Expertise ist Digitalisierung das Mittel der Wahl: Kliniken der Maximalversorgung können telemedizinisch kleinere Krankenhäuser bei der Behandlung von zeitkritischen Notfällen unterstützen, Videosprechstunden und Telekonsile unterstützen die Vor-Ort-Medizin und telemedizinische Behandlungszentren betreuen rund um die Uhr chronische Behandlungsfälle.
Digitale Medizinprodukte unterstützen die Patientinnen und Patienten im eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung.
Ein „Kontakt Center“ koordiniert die Patientenwege
Nicht nur in Notfällen, sondern bei allen Behandlungsanlässen sollen die Patientinnen und Patienten direkt an den für die jeweilige Behandlungssituation notwendigen Leistungserbringer gelangen. Damit werden Über- oder Unterversorgung sowie Doppel- und Fehluntersuchungen vermieden. Das „Kontakt Center“ ist erster Ansprechpartner für die Patient:innen. Hier wird die Behandlungsnotwendigkeit priorisiert und der Patient in die richtige Behandlung gesteuert. Mittels ePA ist das „Kontakt Center“ mit allen Behandlern der Region vernetzt und vermittelt Koordinations-Casemanagement- und Beratungsleistungen, und zwar sowohl eigene als auch externe Angebote. Gegebenenfalls übernimmt es auch selbst die Patientenbetreuung, indem es zum Beispiel Verordnungen ausstellt.
Kompetenzen der nichtärztlichen Gesundheitsberufe stärken
Ärzte sollen Zeit und Raum haben, ihrer ursächlichen ärztlichen Tätigkeit nachzukommen. Apotheker:innen, Physiotherapeut:innen, medizinisches Fachpersonal und andere im Gesundheitswesen Tätige sollen deshalb stärker in die direkte und eigenverantwortliche Versorgung von Patient:innen einbezogen werden und „auf Augenhöhe“ mit den Ärzt:innen arbeiten. Zusätzliche Qualifikationen und eine stärkere Profilierung der Berufsbilder führen zudem zu erweiterten Kompetenzen und einem stärkeren Interesse an der Ausbildung und Ausübung nichtärztlicher medizinischer Berufe.
Eine zentrale Rolle spielt hier die Pflege. Entsprechend weiterqualifizierte Pflegekräfte arbeiten eigenverantwortlich. Sie übernehmen regelhaft Hausbesuche bei kranken älteren Menschen, beraten und schulen chronisch Kranke und können bestimmte Arzneimittel verordnen. Pflegende Angehörige, Nachbarn etc. werden durch ein umfassendes Casemanagement unterstützt sowie bei der Auswahl und Gestaltung von passgenauen Hilfs- und Versorgungsstrukturen beraten.
Gesundheitskompetenz stärken
Maßnahmen zur Stärkung der Gesundheitskompetenz, wie z.B. Schulungen oder Shared-Decision-Making führen nachweislich zu geringeren Behandlungsanlässen. Die Bevölkerung wird dabei unterstützt, gut aufgeklärt die Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen. Patient:innen werden aktiv in Therapieentscheidungen einbezogen und bei der Umsetzung begleitet.
Pflegebedürftigkeit vorbeugen
Patient:innen soll die Möglichkeit gegeben werden, solange wie möglich in ihrem eigenen Zuhause verbleiben zu können. Flexible und individuelle regional ausgerichtete Unterstützungs- und Versorgungsstrukturen sowie Sturzprophylaxe und der Ausbau der Mobilen Geriatrischen Rehabilitation unterstützen dabei. Kurzzeitpflege wird zu einem pflegerisch-therapeutischen Versorgungsansatz für alle Pflegebedürftigen weiterentwickelt, der die Aufrechterhaltung oder Wiedererlangung der größtmöglichen Selbstständigkeit zum Ziel hat.
Sektorenübergreifende Finanzierungsformen entwickeln
Um das Ziel einer patientenorientierten Versorgung über die Sektoren hinweg zu erreichen, orientieren sich die Finanzierungssystematiken an der individuellen Behandlung der Patient:innen. Hierzu müssen neue Finanzierungsformen entwickelt werden, die von Capitation- über Pay for Results- bis hin zu Budget-Modellen reichen können.
>> Das PDF unserer 10 Vorschläge für eine regionale Versorgung „Gesundheitsversorgung der Zukunft“