Was sind die größten gesundheitspolitischen Herausforderungen für die Politik nach den Wahlen zum deutschen Bundestag und zum Landtag in MV? Mit dieser Frage setzten sich Gesundheitsexperten und Landtagskandidaten von fünf Parteien aus MV beim AOK Forum live am 17. Juni in Schwerin auseinander. Eingeleitet wurde die Diskussionsrunde durch Juliane Venohr, die die Landesdirektion der AOK Nordost in Mecklenburg-Vorpommern leitet. In ihrer Begrüßung ging sie auf die Überlegungen und Positionen zur aktuellen Gesundheitspolitik der größten regionalen Krankenkasse im Nordosten ein. „Es geht um die Gestaltung der Zukunft der gesetzlichen Krankenversicherung. Dazu gehört auch eine nachhaltige Finanzierungsgrundlage, um die medizinische Versorgung hierzulande effektiv und qualifiziert zu gestalten“, sagte die AOK-Landeschefin. Für das laufende Jahr sei von Experten für die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland eine strukturelle Finanzierungslücke in Höhe von 20 Mrd. EUR prognostiziert worden – Tendenz für die Folgejahre steigend. Damit schaffte sie die Grundlage für einen angeregten Austausch zu Fragen, wie es im Gesundheitswesen im Nordosten zukünftig weitergehen kann – begleitet von einem regen Austausch mit Gästen im Chat.
In einem ersten Themenblock zu den Finanzierungsfragen bestand Einigkeit bei den Kandidaten von SPD, Büdnis90/ Die Grünen und den Linken für eine breite, solidarische Finanzierung der GKV beispielsweise durch eine Bürgerversicherung und einem Steuerzuschuss für die GKV, der die Belastungen für die Menschen spürbar dämpft. „Auf der Finanzierungseite ist das Solidarsystem das stärkste System was geht“, brachte es Harald Terpe von den Bündnis Grünen auf den Punkt. „Deshalb muss auch die Private Krankenversicherung mit in die Verantwortung genommen werden. Es gäbe dafür aber nicht nur die eine Lösung, sondern verschieden Finanzierungselemente, die reformiert werden müssten.“
Anders dagegen die Auffassung von FDP und CDU, die am bestehenden System festhalten wollen, aber ebenso für einen höheren Bundeszuschuss eintreten. „Wir brauchen nach der Pandemie zunächst einmal einen Kassensturz“, kommentierte der FDP-Sozialexperte Christian Bartelt.
Einen großen Raum nahm auch die Diskussion, moderiert von AOK-Pressesprecher Matthias Gabriel, zum Thema Schulgeld für der Ausbildung von Gesundheitsberufen ein. Einig waren sich die Experten darin, dass solche Zugangshürden in die Gesundheitsberufe der Vergangenheit angehören sollten. Nach Ansicht von Harald Terpe sei der Mangel an Fachkräften bereits heute überall spürbar. „Deshalb war es ein Fehler der vergangenen Jahre, den integrierten Versorgungsansatz in unserem Land zu unterbrechen“, so Terpe. Gerade MV sei als Flächenland eine Region in der solche Ansätze wichtig seien. „Es wird in Zukunft immer wichtiger, die Ressourcen für die gesundheitliche Versorgung regional zu planen, um die tatsächlichen Bedarfe vor Ort abzudecken.“
Auch Julian Barlen unterstützt diesen Ansatz und fordert deshalb, mehr Gemeinschaftssinn im Land zu schaffen. „Wir brauchen tatsächlich jeden Arzt, jede Schwester und jeden Hilfsmittelerbringer in der Fläche. Wir müssen wegkommen von der polarisierten Diskussion um getrennte ambulante und stationäre Sektoren.“ Der CDU-Kandidat Sebastian Ehlers ergänzte: „Dazu müssen die unterschiedliche Vergütungen in den Sektoren überwunden werden.“
Die Enquete Kommission zur Zukunft der gesundheitlichen Versorgung in MV sieht in ihrem Abschlussbericht den Erhalt aller Krankenhausstandorte vor, allerdings mit Bündelung der vorhandenen Kräfte in spezialisierten Zentren und integrierten Versorgungseinrichtungen in der Fläche, die telemedizinische angebunden sind.
Gerade bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens sahen alle Kandidaten großes Potential für MV. Dennoch mahnte Christian Bartel, dass die zunehmende Digitalisierung zwar schon heute den Arbeitsalltag von Medizinern erleichtere. „Der unmittelbare menschliche Kontakt bleibt ein wichtiger Wert in der medizinischen Versorgung. Das schaffen die Robo-Operateure oder die telemedizinischen Konzile nicht“. Auch Harald Terpe unterstrich: „Die Telemedizin hat heute schon eine große Bedeutung. Dennoch müssen wir die Chancen aber auch die Grenzen der Telemedizin zum Wohle der Patienten klar definieren.“
Zum Abschluss des Abends benannten die Gesundheitsexperten aus ihrer Sicht die jeweiligen Top-Gesundheitsziele für die kommende Legislatur. Unter dem Strich ein klares Plädoyer für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung und gute Erreichbarkeit, die in eine regionale Gesundheitsplanung eingebettet ist. „Die Politik muss nun endlich den Strukturwandel im Gesundheitswesen einleiten. Dafür benötigen wir ein Pilotcluster bei Umsetzung“, forderte Torsten Koplin in seinem Abschlussstatement.