„Die fetten Jahre der Krankenversicherung enden im Herbst“

Elmar Stollenwerk, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Nordost

Sechs Monate vor der Bundestagswahl am 26. September hat der Verwaltungsrat der AOK Nordost von der neuen Regierung nachhaltige Lösungen für eine stabile Zukunft der Kranken- und Pflegeversicherung gefordert. „Nach dem unverfrorenen Griff des Bundesgesundheitsministers in die Kassen-Rücklagen zur Stabilisierung der Beiträge enden die ,fetten Jahre‘ in der Krankenversicherung spätestens nach der Wahl im Herbst“, sagte Elmar Stollenwerk, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Nordost für die Arbeitgeberseite.  

Defizit von 2,65 Milliarden Euro das größte seit fast zwei Jahrzehnten 

Stollenwerk, der im Januar den Vorsitz des höchsten Selbstverwaltungsgremiums der AOK Nordost übernommen hat, verwies auf das Rechnungsergebnis 2020 der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Mit 2,65 Milliarden Euro weise dieses das größte Defizit in der GKV seit fast zwei Jahrzehnten auf. Die Situation im Gesundheitssystem sei allerdings schon seit einiger Zeit herausfordernd, nicht erst seit Corona. „Die kostspieligen Gesetze aus der Zeit vor der Pandemie werden weiterwirken und 2022 ein massives Defizit erzeugen“, führte Stollenwerk aus. 

AOK Nordost-Vorstandsvorsitzende Daniela Teichert

Gesundheitssystem steht auf sanierungsbedürftigem finanziellem Fundament 

Auch Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, sieht auf die zukünftige Regierung massive Sanierungsarbeiten zukommen: „Es stimmt – die klassischen Hebel werden uns nach der Bundestagswahl nicht dabei helfen, das Gesundheitssystem aus seiner Finanzkrise zu holen. Weder (weitere) Beitragssteigerungen, noch Leistungskürzungen oder individuelle Zuzahlungen werden die Fragen beantworten, die die Politik seit einem Jahrzehnt vor sich herschiebt. Das Gesundheitssystem braucht im 21. Jahrhundert ein neues Fundament“, schrieb sie kürzlich in einem Kommentar in der Welt der Krankenversicherung. „Diese Baumaßnahme erfordert finanzielle Mittel. Und Jens Spahns Nachfolger/in wird feststellen, dass man den Versicherten eben nur einmal in die Tasche mit dem Ersparten greifen kann – und das hat die Bundesregierung unter der wohllautenden Überschrift ‚Sozialgarantie‘ eben schon vor der Wahl gemacht“, so Teichert.  

Pflegeversicherung bedarf einer Weiterentwicklung 

Finanziell steht nicht nur die Krankenversicherung im Fokus. Auch die soziale Pflegeversicherung gerate zusehends in finanzielle Schieflage und benötige verlässliche Unterstützung des Bundes. „Auch ist völlig unklar, ob die Gesetzesänderungen die gesundheitliche Versorgung unserer Mitglieder und Familien verbessern“, gibt Knut Lambertin, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender und Vertreter der Versicherten, zu bedenken. Mit dem Blick auf die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler unterstützt der Verwaltungsrat der AOK Nordost die kürzlich von der AOK-Gemeinschaft vorgestellten Vorschläge zur Weiterentwicklung der Pflegeversicherung. Darin wird unter anderem ein breiterer Finanzierungsmix vorgeschlagen, der unter anderem die Einführung eines zweckgebundenen, regelmäßig dynamisierten Bundesbeitrags in Höhe von jährlich 3,2 Milliarden Euro vorsieht. Dieser solle die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler entlasten. „Um die tendenziell steigenden Eigenanteile der pflegebedürftigen Menschen zu verringern, schlagen wir die jährliche Dynamisierung der Pflegeleistungen vor“, sagt der Vertreter der Versicherten Knut Lambertin. Zudem müssten die Bundesländer die Verantwortung für die Finanzierung der Investitionskosten übernehmen, die mit rund 5,5 Milliarden Euro pro Jahr beziffert werden. 

„Pflege-Merkmal“ für die Kostenkompensation zwingend notwendig 

Im Rahmen der Diskussion über eine mögliche Überführung der stationären medizinischen Behandlungspflege aus der Pflege- in die Krankenversicherung fordert der Verwaltungsrat der AOK Nordost eine ausreichende Kostenkompensation für Kassen mit einem besonders hohen Anteil pflegebedürftiger Versicherter. Die Einführung eines „Pflege-Merkmals“ als Ausgleichsvariable im Risikostrukturausgleich sei deshalb zwingend notwendig.  

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