Meinungsbeitrag: Reformen im Gesundheitswesen sollten den Versicherten zugutekommen

In einer Praxis sitzen sich ein Arzt und sein Patient gegenüber und sprechen miteinander.

Ein Kommentar von Knut Lambertin, Vorsitzender des Verwaltungsrates der AOK Nordost und Vertreter der Versicherten 

Unser Gesundheitswesen ist grundsätzlich gut, aber in Teilen reformbedürftig. Darüber sind sich die Gesetzlichen Krankenkassen als Vertreterinnen für die Versicherten und politische Beobachter des Gesundheitswesens einig. Aktuell geht die Bundesregierung, die seit mehr als zwei Jahren amtiert, gleich mehrere Gesetzesvorhaben gleichzeitig an. Dabei stellt sich die Kernfrage: Helfen die geplanten Reformvorhaben am Ende den Versicherten? 

Knut Lambertin, alternierender Vorsitzender des Verwaltungsrates der AOK Nordost

Keine Endbudgetierung für die Hausärzteschaft

 
Das will ich beispielhaft erklären: Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach ist selbst studierter Mediziner und möchte künftig seinen Kolleginnen und Kollegen aus dem Hausärztebereich mehr Geld zukommen lassen, wenn sie Versicherte der Gesetzlichen Krankenkassen behandeln. Im Januar stellte Herr Lauterbach dazu erste Eckpunkte eines Gesetzes zur „Endbudgetierung für die Hausärzteschaft“ vor, welches in der Konsequenz sehr arbeitsaufwendige Einzelabrechnungen zur Folge hätte. Dazu muss man wissen, dass in der Budgetierung gewisse Obergrenzen bei der Abrechnung definiert sind.  

Für die Krankenkassen bilden sie daher eine berechenbare und damit planbare Größe, um etwa allzu häufigen und teils unnötigen Arztbesuchen entgegenzuwirken. Diese gängige Praxis gilt schon seit 1990 und hat sich weitgehend bewährt. Nun will Herr Lauterbach also durch eine Reform die Hausärztinnen und Hausärzte auch auf dem Land unterstützen. Den Plänen zufolge erhalten sie eine sogenannte Vorhaltepauschale, wenn sie eine Mindestanzahl an Versicherten pro Quartal behandeln. Chronisch Kranke sollen hingegen seltener in die Praxis kommen dürfen. Vorgesehen ist eine jahresbezogene Versorgungspauschale. Letztlich sollen wegfallende Budgetierungen auch den Beruf des Landarztes stärken. Insgesamt aber wird über die geplante Reform allen Hausarztpraxen mehr Geld zur Verfügung gestellt.  

Wo soll das Geld herkommen?

Ich hege große Zweifel daran, ob eine derartige Gesetzesreform für die Versicherten tatsächlich einen Vorteil darstellt. Von einem Wegfall der Budgetierung hausärztlicher Leistungen würden nicht die Praxen im ländlichen Raum profitieren, sondern vielmehr gut gefüllte Arztpraxen in ohnehin überversorgten Gebieten, also jene, die im städtischen Raum liegen. Eine Entbudgetierung ärztlicher Leistungen führt kurz- und mittelfristig für die Beitragszahlenden zu Mehrausgaben in Milliardenhöhe – und das ohne Vorteile in der Versichertenversorgung. Ihnen dürfen in keiner Weise noch mehr Belastungen als bisher zugemutet werden. Vor diesem Hintergrund muss eindringlich vor gesetzlichen Maßnahmen gewarnt werden, die zu weiteren Ausgabensteigerungen ohne wesentliche Verbesserung der Versorgung führen!  
 
Großer Reformbedarf besteht an anderen Stellen, etwa bei der Pflege. 2023 lagen die Eigenanteile der Pflegebedürftigen im Nordosten so hoch, wie nie zuvor – da reicht auch die Anhebung der Zuschläge für pflegebedingte Aufwände, die von den Pflegekassen gezahlt werden, nicht aus. Der Staat muss endlich seine Verantwortung in einer älter werdenden Gesellschaft übernehmen, fehlende Mittel für die pflegerische Versorgung aufstocken und eine verlässliche Finanzierung der Investitionen einführen. Das wäre ein wirkungsvolles Reformvorhaben!

Im aktuellen Interview mit G+G beschreibt Knut Lambertin, worauf es bei der anstehenden Pflegereform ankommt: „Der Bund muss die Pflege mitfinanzieren“

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