Der Patient muss im Mittelpunkt stehen

„Es ist jetzt schon kurz vor 12“, mahnte die Vorstandsvorsitzende der AOK Nordost, Daniela Teichert, das Panel und alle Teilnehmenden der 17. Nationalen Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft in Rostock, die Mitte Juni als Hybridveranstaltung vor Ort und per Video stattfand. Der demographische Wandel im ländlichen Raum schreite immer schneller voran, mit immer weniger und immer älteren Menschen, so Daniela Teichert weiter. Auf der anderen Seite gebe es gerade in diesen Bereichen einen zunehmenden Fachkräftemangel.

Daniela Teichert

Deshalb seien weitreichende Anpassungen notwendig, um das Leistungsversprechen der Gesetzlichen Krankenversicherung auch künftig halten zu können und die Patient:innen in den Mittelpunkt der Gesundheitsversorgung zu stellen.

Nötig sei ein ganzheitlicher Versorgungsansatz mit einer strukturierten Gesundheitsversorgung – und die entsprechend flexiblen, gesetzlichen Rahmenbedingungen. In diesem Zusammenhang verwies Daniela Teichert auf ein 10-Punkte Papier mit konkreten Vorschlägen für eine regionale „Gesundheitsversorgung der Zukunft“.

Bedarfe individuell ermitteln

„Her mit den guten Ideen“, forderte die Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, Dr. Antje Draheim, das Panel der Branchenkonferenz auf. Fragen zur Abrechnung der Leistungen seien dabei zunächst nachrangig. Wichtig sei ihr, den Bedarf jeder Region individuell festzustellen.

Dr. Bernadette Klapper

Die Geschäftsführerin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe, Dr. Bernadette Klapper, wünschte sich in diesem Zusammenhang Primärversorgungszentren mit multiprofessionellen Teams aus Hausärzt:innen, Fachärzt:innen und  Community Health Nurses, also Gemeindeschwestern Damit könnten die Menschen dort abgeholt werden, wo sie leben. Auch Albrecht Römpp, Geschäftsführer der Gesundheit in Templin Projekt GmbH, sieht in den Gemeindeschwestern ein großes Potenzial, die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zu entlasten. Sie könnten helfen, vielen Menschen auf dem Land weite Wege zu ersparen.

Regionale „Freihandelszonen“

Am Beispiel des Innovationsfonds-Projekts IGiB-StimMT in Templin verdeutlichte Daniela Teichert die notwendigen Veränderungen. Der Aufbau des dortigen Ambulant-Stationären Zentrums sei unter normalen Bedingungen – also ohne gesonderte Förderung – gar nicht möglich gewesen. Um das ehemalige Projekt jetzt endlich in die Regelversorgung zu bringen und auf neue Regionen übertragen zu können, forderte sie: „Wir brauchen regionale Freihandelszonen“, in denen frei agiert werden kann.  Dafür brauche es regionale Zusammenschlüsse der Leistungserbringer vor Ort und eine regionale Vereinbarung mit allen gesetzlichen Krankenkassen. Mit Routinedaten könne die AOK Nordost bereits gut die Qualität der Versorgung messen, um eine bessere Wirtschaftlichkeit erkennbar zu machen. „Damit kann es dann weggehen von einer sektoralen Finanzierung.“

Gesundheitskompetenz stärken

Die Panel-Teilnehmenden auf der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft waren sich einig, dass eine Digitalisierung des Gesundheitswesens notwendig sei, aber zu langsam voranschreite. So erhoffte sich Dr. Bernadette Klapper eine spürbare Entlastung bei der Dokumentation. Sie betonte zudem die zentrale Funktion einer elektronischen Gesundheitsakte in der Pflege, wenn wichtige Daten zentral im ganzen Pflegeteam ausgewertet werden könnten. Dr. Antje Draheim kritisierte, dass die ePA derzeit eher ein einfaches System für die Verwaltung von Dokumenten darstelle: „Das muss besser werden.“ Nur so könne bei den Nutzerinnen und Nutzern ein Bewusstsein für die Bedeutung der elektronischen Patientenakte geschaffen werden.

Nora Blum

Nora Blum, Geschäftsführerin der Selfapy GmbH, wies darauf hin, dass beispielsweise nach einem stationären Aufenthalt digitale Gesundheitsanwendungen gewisse Lücken in der Versorgung schließen und in der Psychotherapie im ländlichen Raum die Telemedizin lange Wartezeiten überbrücken könne. Daniela Teichert wies darauf hin, dass gleichzeitig die Gesundheitskompetenz der Menschen gestärkt werden müsse. Dann werde auch eher der Nutzen einer ePA und transparenter Daten erkannt. Sinnvoll sei deshalb eine Opt-Out-Lösung, mit der eine Teilnahme an der ePA bewusst abgewählt werden muss, damit die elektronische Patientenakte endlich Fahrt aufnehmen könne. 

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