An einem gebrochenen Herz kann man sterben

Ein älteres Paar sitzt auf einer Bank. Er hat seinen Arm um sie gelegt.

Frau Dr. Gosch, wir kennen das ja alle: Sobald wir uns aufregen, klopft unser Herz ganz stark, wenn wir zur Ruhe kommen, geht der Herzschlag runter und wenn wir entspannt sind, klopft das Herz ruhig und regelmäßig. Kann man also sagen, dass es einen Zusammenhang zwischen Herz und Psyche gibt? 

Tatsächlich gibt es da von früh an, bereits im Mutterleib, eine ganz enge Wechselbeziehung: Die innere Verfassung spiegelt sich in der Herzfrequenz, aber auch ganz konkret in der Herzgesundheit wider. Studien zeigen beispielsweise, dass frühe Belastungen – durch Traumatisierungen, aber auch durch Probleme und Stress im Heranwachsen – zu einer biologischen Reaktion im Körper führen. Die regelmäßige vermehrte Ausschüttung der Stresshormone Cortisol und Adrenalin aktiviert das Immunsystem, aber auch das Entzündungssystem. Beide sind ganz zentral für die Herzgesundheit und können diese beeinträchtigen. Und eine Depression oder eine chronische beziehungsweise langjährige Angststörung beispielsweise sind Dauerstress für den Körper und stellen deshalb ein erhebliches Risiko für eine koronare Herzkrankheit, kurz KHK, dar. Umgekehrt kann natürlich ein krankes Herz auch immer die Psyche belasten. 

Wie meinen Sie das?

Wenn jemand an einer Herzerkrankung leidet, dann beeinträchtigt das auch sein psychisches Wohlbefinden. Eine Herzerkrankung ist eine vitale Bedrohung, eine Erschütterung der körperlichen Integrität. Sowas geht mit massiver Sorge einher. Und: In ‚Erkrankung‘ steckt ja auch das Wort ‚Kränkung‘. Man fühlt sich innerlich angegriffen, bis ins Mark getroffen. Das Herz ist letztlich existenziell. Es ist unser Motor. Es ist nicht ohne Grund symbolisch so stark besetzt, denn es spiegelt ganz zentral etwas über uns wider. Das zeigt sich auch in der Alltagssprache. Wir sagen: „Das geht mir zu Herzen oder das bricht mir das Herz.“ 

Stichwort „gebrochenes Herz“ – gibt es so etwas wirklich?

Es gibt tatsächlich ein Krankheitsbild, das als ‚Broken Heart Syndrom‘, also „gebrochenes Herz Syndrom‘ bezeichnet wird. Der andere Fachbegriff dafür ist Takotsubo-Kardiomyopathie. Takotsubo bezeichnet eine traditionelle japanische Tintenfischfalle in Form einer rundlichen Amphore. Bei diesem Krankheitsbild hat das Herz an der Spitze ein sogenanntes Ballooning, es ist an der Stelle richtig aufgebläht und ganz groß. Und Myopathie bedeutet, dass die Muskelkontraktion, also die Schlagkraft des Herzens nicht mehr so effektiv ist.  

Wer ist eigentlich… Dr. med Katharina Gosch?

Dr. med. Katharina Gosch arbeitet am Centrum für Gesundheit (CfG) der AOK Nordost in Berlin als Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie / Psychoanalyse. Darüber hinaus ist sie öffentlich bestellte Befugte für die Weiterbildung des Facharztes / der Fachärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie / Psychoanalyse

Wie kommt es zu dieser Erkrankung?

Das Broken Heart Syndrom ist eine sehr seltene Erkrankung und die Forschung hierzu steckt noch in den Kinderschuhen – auch was die Entstehung betrifft. Alles, was man bisher darüber weiß, stützt sich noch auf Hypothesen. Was man aber schon mit ziemlicher Sicherheit sagen kann: Es wird nicht durch eine koronare Herzerkrankung ausgelöst. Offensichtlich spielen vor allem plötzliche, überwältigende Gefühle eine Rolle. Daher wohl auch die Bezeichnung „Broken Heart Syndrom“. Obwohl es sich in zwei Prozent der Fälle eher um ein Happy Heart Syndrom handelt. Auch ein plötzliches, überwältigendes Glücksgefühl kann diesen Zustand auslösen. Denn jedes starke Gefühl ist letztlich auch ein Stressfaktor, an den sich der Körper erst einmal anpassen muss. Deshalb auch ‚überwältigend‘ – es ist den Betroffenen sprichwörtlich zu viel. Das innere Gleichgewicht kann nicht mehr aufrechterhalten werden und das ganze System bricht zusammen.   

Woran erkenne ich, dass ich eventuell an einem „gebrochenen Herzen“ leide? 

Zunächst einmal: Es ist wirklich eine sehr seltene Erkrankung und nichts, wovor man sich in diesem Sinne fürchten muss. Letztlich ist es eine heftige Schmerzattacke, die sich wie ein Herzinfarkt anfühlt. Sie betrifft vor allem Frauen zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Die Symptomatik ist ähnlich wie bei einer Angina pectoris: Schmerzen und Druckgefühl auf dem Brustkorb, das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Damit geht natürlich auch eine massive Ängstlichkeit einher, denn das fühlt sich unmittelbar lebensbedrohlich an. Und das kann es auch wirklich sein. Eine Studie hat ergeben, dass 20 Prozent der Betroffenen daran sterben.  

Mit einem Broken Heart verbindet man ja vor allem Liebeskummer. Kann man also von Liebeskummer buchstäblich ein gebrochenes Herz bekommen? 

Sagen wir mal so: Wenn man in einer Liebesbeziehung plötzlich aus irgendeinem Grund von starken Gefühlen überwältigt wird – der Partner oder die Partnerin verstirbt plötzlich, verlässt uns, hat uns betrogen oder Ähnliches – dann kann das natürlich auch zu einem Broken Heart Syndrom führen. 

Wenn sich die Symptomatik eines Herzinfarkts und eines Broken Heart Syndroms so sehr ähneln: Wie kann man sie dann überhaupt auseinanderhalten?  

Die Betroffenen werden das in der Tat schwer voneinander unterscheiden können. Und in beiden Fällen werden sie – hoffentlich – die Rettungsstelle aufsuchen beziehungsweise einen Notarzt rufen. Das Broken Heart Syndrom wurde ja auch lange verkannt als eine Angina pectoris. Erst, als man begonnen hat, diese seriös über einen Herzkatheder auszuschließen und eine saubere Anamnese zu machen, ist man dieser besonderen Symptomatik auf die Spur gekommen. Die Patientinnen und Patienten haben eher selten vorher eine klassische KHK-Symptomatik oder weisen die üblichen Risikofaktoren wie Adipositas, Bluthochdruck oder eine Neigung zu Diabetes auf.   

Kann man dem Broken Heart Syndrom vorbeugen?

Eine Erkrankung, bei der man den Mechanismus noch nicht verstanden hat, der kann man schlecht prophylaktisch begegnen. Es gibt zum Beispiel keine Studie, die zeigt, dass man kein Broken Heart bekommt, wenn man gut mit seinen Emotionen umgehen kann. Es ist, wie gesagt, ein sehr seltenes Krankheitsbild und wir stehen noch ganz am Anfang der Erforschung. Da kann man solche Korrelationen noch nicht festmachen. Aber was natürlich immer gut hilft, ist eine ausgeprägte Stress-Resilienz, dass man auf seine Ressourcen schaut und gute Strategien entwickelt, den Stressauslösern entgegenzuwirken: Entspannung, Bewegung – am besten an der frischen Luft – und Pflege von zwischenmenschlichen Kontakten. Gerade Einsamkeit und Isolation sind große Risikofaktoren für alle möglichen Erkrankungen. 

Heartbeats: Hören Sie auf Ihr Herz. Bürger Lars Dietrich & Marti Fischer, MiA. und Rola ihre persönlichen Herzschlag-Songs. Von treibendem Techno bis zu gefühlvollem R’n’B: In den Händen der Musikprofis wurden echte Herztöne zu akustischen Meisterwerken, die unter die Haut gehen und das Herz berühren. Wir nennen das #AOKHeartbeats.

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