“DiGA können das ärztliche Behandlungsrepertoire ergänzen“ 

Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) sind in der Regelversorgung angekommen. Im Interview spricht die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. Claudia Teßmer über DiGA als Teil ihrer ärztlichen Versorgung, was die Apps auf Rezept leisten können – und was nicht. 

Digitale Gesundheitswendungen finden immer mehr Verbreitung. Wie kommt es in Ihrem ärztlichen Alltag eigentlich dazu, dass Sie sagen: “Hier kann eine DiGA helfen”? 

Am Anfang steht natürlich die Diagnose. Und wie bei allen anderen Behandlungsmöglichkeiten auch schaue ich auf die Ressourcen der Patientinnen und Patienten: In welchem Alter ist die Person, wie ist das Umfeld, welche zeitlichen Kapazitäten kann die Person für die Behandlung aufbringen? Ich prüfe also individuell, welche Verordnung am besten passt. Und das kann dann mittlerweile auch mal eine DiGA sein.  

Dr. Claudia Teßmer ist Allgemeinmedizinerin in Brandenburg.  Foto: privat

Haben Sie da ein Beispiel?

Sagen wir, es handelt sich um eine weibliche, berufstätige Patientin, die unter Rückenproblemen leidet und auf dem Land wohnt. Wenn es die Erkrankung zulässt, würde ich hier eine DiGA empfehlen, statt die Patientin 25 Kilometer zum nächsten Fitnessstudio zu schicken. Sehe ich jedoch, dass die Patientin mit dem Digitalen gar nichts anfangen kann, kann das altbewährte Training in der Gruppe mehr Sinn machen. Wieder andere haben schon Berührungsängste, lassen es sich dann aber von der Tochter erklären. Das ist höchst individuell, und ich würde hier in erster Linie danach gehen, was im Sinne der Heilung und der Mitwirkung der Patientinnen und Patienten am erfolgversprechendsten ist.  

Und wie reagieren die Patientinnen und Patienten dann darauf?  

Da gibt’s schon manchmal Stirnrunzeln. “DiGA? Was soll das sein?” Ich informiere dann erstmal grundsätzlich, was die vorgeschlagene App im konkreten Fall leisten kann, und gebe Infomaterial mit, sodass die Person zuhause in Ruhe darüber nachdenken kann. Manche sind aber auch direkt gespannt darauf, örtlich und zeitlich unabhängig in ein Behandlungsprogramm einzusteigen. Unterm Strich ist es wichtig, den Patientinnen und Patienten eine informierte Entscheidung treffen zu lassen – wie auch immer diese ausfällt.  

Und bringt das denn was? Können DiGA wirklich dabei helfen, Krankheiten zu heilen?  

Ich kann ja mal beschreiben, wie es nicht geht: Sich eine DiGA verordnen lassen, es einmal probieren und dann nie wieder anrühren – so funktioniert fast nie eine Behandlung. Ohne aktive Mitwirkung der Patientinnen und Patienten bringen die besten Therapien nichts. Das traf aber auch schon im Analogen zu. Wer jedoch Eigeninitiative, Motivation und Ausdauer mitbringt, hat gute Chancen, mit einer anerkannten DiGA seinen Gesundheitszustand nachhaltig zu verbessern.  

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Was wünschen Sie sich für die weitere Entwicklung von DiGA?  

Ich wünsche mir eine höhere Bekanntheit, eine stärkere Verbreitung und eine größere Vielfalt der geprüften und nachgewiesen wirksamen DiGA. Gleichzeitig sehe ich die Gefahr, dass sie falsch eingesetzt werden: Wenn eine Region mit Psychotherapeut:innen unterversorgt ist, kann ich das tiefenpsychologische Einzelgespräch nicht mit einer DiGA ersetzen. DiGA sind eine tolle Ergänzung des ärztlichen Behandlungsrepertoires – strukturelle Defizite in der medizinischen Versorgung können sie nicht auffangen. 

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