„Seit Brust-, Darm-, und Prostatakrebs in das Vorsorgeprogramm aufgenommen sind, hat sich die Überlebenszeit verbessert“

Eintrag in einen Kalender. Privat, Ärztlicher Vorsorge Untersuchungstermin.
Eintrag in einen Kalender. Privat, Ärztlicher Vorsorge Untersuchungstermin.

Krebs kann in vielen Fällen geheilt werden, wenn er frühzeitig erkannt wird. Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt: Viele Menschen nehmen die ärztlichen Vorsorgeangebote nicht wahr. Zum Tag der Krebsvorsorge am 28. November erläutert Professor Ernst Klar, Geschäftsführer und Vorstandsmitglied der Krebsgesellschaft MV e.V., wie Früherkennung und Prävention Leben retten können. Bei den Themen Rauchen und Alkohol fordert er ein radikales gesellschaftliches Umdenken.

Professor Klar, die Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigt, dass weniger Menschen wichtige Krebsvorsorgeuntersuchungen wahrnehmen als noch vor Beginn der Corona-Pandemie. Wie bewerten Sie die Ergebnisse?

Das ist natürlich bedrohlich, weil es die Gefahr birgt, dass die Krebsarten, die durch Vorsorge früh erkannt und geheilt werden könnten, nicht entdeckt werden. Die Zahlen zeigen, dass es eine Dunkelziffer von Risikopatienten gibt, die gar nicht wissen, dass sie bereits mit einem Krebsproblem leben, weil sie sich der Vorsorgeuntersuchung nicht stellen. Insbesondere beim Hautkrebs handelt es sich um eine völlig einfache Untersuchung beim Hautarzt mit einem sehr hohen Wert an Früherkennung, durch die ein fortgeschrittenes Krebsstadium verhindert werden kann. Es ist dramatisch und eigentlich traurig, dass sich Menschen darüber nicht bewusstwerden.

Professor Ernst Klar, Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands Krebsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern
Professor Ernst Klar, Geschäftsführer und Mitglied des Vorstands der Krebsgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern

Warum nutzen so wenige Männer und Frauen die Untersuchungen zur Vorsorge und Früherkennung?

Das ist teilweise psychologisch dadurch bedingt, dass die Früherkennungsmaßnahmen besonders bei Frauen ja schon mit 20, 30 Jahren beginnen, die Darmspiegelung mit 50 Jahren. Da sind die meisten Menschen zum Glück in voller Gesundheit und Lebenskraft und keiner denkt daran, dass da eine Gefahr schlummern könnte, die entdeckt werden muss. Und dadurch kommt eine Trägheit, sich einer Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen. Aber es gibt auch Unterschiede.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Bei den Frauen wird das Brustscreening deutlich besser angenommen als beispielsweise die Darmspiegelung. Wieso? Weil man viel mehr darüber hört und die Untersuchung der Brust, auch wenn sie unangenehm ist, doch weniger aufwendig ist. Dadurch sind Frauen da viel aufmerksamer und erkennen diese Notwendigkeit besser als das bei anderen Untersuchungen der Fall ist. Die Darmspiegelung ist immer ein wesentlicher Eingriff mit allem, was dazu gehört, mit Darmsäuberung und Sedierung. Das ist viel aufwendiger und das schieben die meisten dann eher von sich weg. Man muss aber warnend erwähnen, dass auch an der Brustkrebsvorsorge nur etwa 50 Prozent der Frauen teilnehmen.

Wie ermutigt man Menschen, zur Krebsvorsorge zu gehen?

Indem man ganz klar die Fakten immer wieder vor Augen führt: Seit Brust-, Darm-, und Prostatakrebs in das Vorsorgeprogramm aufgenommen sind und untersucht werden, hat sich die Überlebenszeit bei diesen Krebserkrankungen kontinuierlich verbessert. Das heißt, viele Patientinnen und Patienten werden sogar geheilt, weil der Krebs bereits in frühen Stadien erkannt werden kann. Besonders deutlich wird das am Brustscreening, das seit 2005 existiert. Seitdem konnten die fortgeschrittenen Krebsstadien deutlich abgesenkt werden, denn der Krebs kann mit dem Screening viel früher entdeckt werden. Das zeigt, wie wichtig es ist, diese Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen. Hilfreich ist hierbei auch die altersentsprechende persönliche Einladung zur Vorsorge durch die Krankenkassen an ihre Mitglieder. Trotzdem kann es vorkommen, dass Frauen aus Angst vor einem falsch-positiven „Fehlalarm“ gar nicht erst zur Untersuchung gehen. Dabei gibt es für solche Befunde eine schrittweise Abklärung, um einen Krebs-Verdacht weiter einzugrenzen oder auszuschließen. Alle Betroffenen sollten immer bedenken, dass selbst der Schreck über ein vorübergehend falsch-positives Ergebnis immer noch besser zu verkraften ist als das lebensbedrohliche Risiko, einen bösartigen Befund erst zu bemerken, wenn dieser nicht mehr zu kontrollieren ist.

Wo gibt es Informationen, welche individuelle Früherkennungsuntersuchung für wen empfohlen wird?

Man kann sich allgemein im Internet informieren, aber es ist doch so kompliziert in den verschiedenen Abstufungen, dass man die Informationen für Interessierte übersichtlicher zusammenführen sollte. Allein bei der Darmspiegelung gibt es drei Jahreszahlen zu bedenken: Männer können die Vorsorge-Koloskopie ab 50 Jahren in Anspruch nehmen, Frauen ab 55 und wenn eine familiäre Polypenerkrankung vorliegt, dann kann man schon ab 30 Jahren koloskopiert werden. Und bei anderen Krebserkrankungen gelten wieder andere Anspruchsalter. Mit solchen Details kann man die Menschen schnell überfordern. Hier braucht es eine leicht zugängliche Informationsquelle, wo das alles übersichtlich nachzulesen ist. Ein Beispiel hierfür wäre der neue Vorsorg-O-Mat der AOK. Dieser erinnert wohl auch an Termine für die entsprechenden Vorsorgeuntersuchungen, was einen besonders guten Effekt auf die Betroffenen haben soll.

Wie kann jeder Mensch sein individuelles Risiko reduzieren, an Krebs zu erkranken?

Das ist eine Sache der Lebensführung. Nehmen wir zum Beispiel Hautkrebs. Wir müssen auf unsere Kinder achten, dass sie in der Kindheit keinen Sonnenbrand bekommen. Das beginnt bereits im Kindergarten. Von der Krebsgesellschaft M-V e.V. gehen wir in die Kindergärten in unserem Bundesland und sprechen Empfehlungen für wichtige Sonnenschutzmaßnahmen aus. Wenn diese langfristig umgesetzt werden, dann gibt es für die Einrichtung eine Auszeichnung als „SunPass“-Kindergarten, sozusagen ein Gütesiegel für Hautkrebsprävention bereits im Kindesalter.

Welche Rolle spielen Ernährung, Rauchen und Alkohol?

Wir empfehlen eine ausgewogene Ernährung breit über unser Nahrungsangebot mit gewisser mediterraner Ausrichtung, die wir alle kennen: Olivenöl, Gemüse und Salate und natürlich auch Fisch. Da braucht es auch keine großen Klimmzüge mit speziellen Speisen in hoher Frequenz.  Fleisch, insbesondere rotes Fleisch, sollte reduziert werden und das nicht nur aus Überlegungen zum Thema Krebs. Ganz wesentlich ist aber die Verhinderung von Giftstoffen, allem voran durch das Rauchen. Das Rauchen gehört nicht mehr in unsere Gesellschaft. Raucherinnen und Raucher werden durchgreifend geschädigt, nicht nur an der Lunge, sondern auch am Gefäßsystem. Das Rauchen muss soweit wie möglich zu einer Randerscheinung werden.

Das zweite große Problem ist die in der Gesellschaft weit verbreitete Vorstellung, wonach Alkohol einfach zu sozialen Anlässen bei Erwachsenen dazugehört. Das muss stärker infrage gestellt werden, weil Alkoholkonsum krebsfördernd ist und allein deshalb reduziert werden sollte. So gehen 6 Prozent der Krebserkrankungen auf Alkohol zurück, speziell Krebs der Speiseröhre und der Bauchspeicheldrüse sowie an Dickdarm und Leber. Entscheidend ist dabei die Menge des Alkohols. Die Formel ist recht einfach: Wenn wir Giftstoffe weglassen und uns ausgewogen ernähren, dann haben wir in der Verhinderung von Krebserkrankungen schon sehr viel erreicht.

Welche Rolle spielt Bewegung in der Prävention?

Ich sehe den Ansatz hier viel breiter. Sport ist wichtig, mit systematischer Anleitung, besonders an den Schulen. Hier werden die Weichen gestellt. Zwar werden die Betreuungszeiten der Jugendlichen immer weiter ausgedehnt. Daraus resultiert aber leider keine Ausweitung der Sportangebote. Kinder und Jugendliche bewegen sich fast den ganzen Tag zu wenig. Dafür wäre eigentlich die Schule verantwortlich, dass am Nachmittag altersentsprechend die Bewegung organisiert und der Sport gefördert wird.

Bewegung senkt nicht nur das Risiko, an Krebs zu erkranken, sondern spielt auch in der Prävention von Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Rolle. Neueste Studien zeigen, dass rund 10 Prozent aller Brustkrebs- und Darmkrebserkrankungen durch ausreichende Bewegung verhindert werden könnten. Wichtig ist ausreichende Bewegung aber auch nach einer Krebserkrankung. In diesem Fall verbessert sich der Verlauf und die Überlebenszeit steigt.

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