Frau Teichert, am 7. Juni haben Sie acht Arztnetze für eine „hervorragende Behandlungsqualität“ mit dem sogenannten QuATRo-Siegel ausgezeichnet. QuATRo steht dabei für ‘Qualität in Arztnetzen – Transparenz mit Routinedaten’. Hinter dem Projekt steht die Idee, mit Hilfe von Routinedaten im ambulanten Bereich die Behandlungsqualität messbar zu machen – und im zweiten Schritt die Behandlungsqualität zu verbessern. Wie funktioniert das genau?
Daniela Teichert: Wir wissen, dass zum Beispiel Patientinnen und Patienten, die unter einer chronischen Erkrankung wie Herzinsuffizienz leiden, deutlich seltener ins Krankenhaus müssen, wenn sie von ihrem Hausarzt oder ihrer Hausärztin nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen behandelt werden. Man spricht hier auch von leitliniengerechter Behandlung. Wie gut diese leitliniengerechte Behandlung von niedergelassenen Ärzten umgesetzt wird, lässt sich mit verschiedenen Indikatoren messen.
Um es mal ganz konkret zu machen: Wenn zum Beispiel ein Patient, der unter einer koronaren Herzkrankheit leidet, einen Herzinfarkt hatte – dann sollte der Hausarzt gemäß Leitlinie anschließend z.B. einen Beta-Blocker und einen Blutverdünner verordnen. Das senkt nachweislich das Sterblichkeitsrisiko. Indem wir die Abrechnungsdaten analysieren, die uns als Krankenkasse zur Verfügung stehen, können wir transparent machen: Wieviel Prozent der Patientinnen und Patienten hat ein Arzt oder eine Ärztin leitliniengerecht behandelt? Insgesamt wertet unser Bundesverband die Daten der einzelnen AOKs für 53 solcher Qualitätsindikatoren und weitere Kennzahlen aus. Alle Arztnetze, die bei unserem QuATRo-Projekt mitmachen, bekommen jedes Jahr einen Bericht und können detailliert sehen, wie gut ihre jeweiligen Ärzte in welchen Bereichen im Vergleich mit anderen abschneiden.
Und wie verbessert sich dadurch die Behandlungsqualität?
In den teilnehmenden Arztnetzen gibt es Manager und Managerinnen, die sich unsere QuATRo-Berichte sehr genau anschauen. Wenn sie zum Beispiel sehen: Arzt X impft seine Patientinnen und Patienten zu selten, dann können sie sich mit diesem Arzt zusammensetzen und ihn dabei unterstützen, ein Erinnerungssystem für Impfungen oder für Wiedervorstellungen umzusetzen. Oder die Manager stellen bei einer anderen Ärztin Y Defizite bei der Behandlung von Patienten mit koronarer Herzkrankheit fest. Dann können sie dieser Ärztin empfehlen, an einem Qualitätszirkel teilzunehmen – also einem Erfahrungsaustausch mit anderen Ärztinnen und Ärzten, die bessere Behandlungsergebnisse erzielt haben.
Da die Ärztinnen und Ärzte interessiert daran sind, ihre Patientinnen und Patienten bestmöglich zu behandeln, nehmen viele diese Angebote auch an – und schneiden dann in den kommenden Jahren besser im QuATRo-Bericht ab. Und genau das ist auch unser Ziel: Dass unsere Versicherten eine qualitativ hochwertige Behandlung bekommen. Auch die Arztnetze selbst profitieren, wenn sich die Behandlungsqualität verbessert: Denn die qualitativ guten Arztnetze können auch wirtschaftlich bessere Ergebnisse erzielen.
Wir nutzen unsere Abrechnungsdaten auch, um die Behandlungsqualität in Krankenhäusern transparent zu machen – Stichwort AOK-Krankenhaussuche. Wie funktioniert diese Suche?
Sie gehen einfach auf die Webseite unserer AOK-Krankenhaussuche, die Teil des AOK-Gesundheitsnavigators ist, und geben zum Beispiel ein, dass sie sich ein künstliches Kniegelenk einsetzen lassen wollen. Anschließend noch ihre Postleitzahl und dass sie alle Kliniken im gewählten Umkreis angezeigt bekommen wollen, die diesen Eingriff anbieten. Dann können sie die Ergebnisse so sortieren, dass sie zuerst die Kliniken angezeigt bekommen, die diesen Eingriff im Jahr 2022 am häufigsten durchgeführt haben – also die meiste Erfahrung damit haben. Zusätzlich sehen sie aber noch die Kategorie „Qualität nach QSR“ und entweder drei, zwei oder ein grünes Bäumchen, die für überdurchschnittliche, durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Behandlungsqualität stehen.
Gold:
GESINVO – Gesellschaft für integrierte Versorgungskonzepte im Gesundheitswesen mbH, Berlin
Silber:
MedIntegra, Berlin
NGB – Netzwerk Ganzheitsmedizin Berlin
GCW – Gesundheitsnetz Charlottenburg-Wilmersdorf GmbH, Berlin
MEDIS, Elbe-Elster-Kreis
HaffNet, Mecklenburg-Vorpommern
Basis:
Arztnetz Reinickendorf
Ärztenetz Brandenburg an der Havel
QSR steht dabei für „Qualitätssicherung mit Routinedaten“. Das ist ein Bewertungsverfahren, das vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) schon vor 20 Jahren in Zusammenarbeit mit einem anderen Forschungsinstitut entwickelt wurde. Das WIdO hat da wirklich Pionierarbeit geleistet bei der Messung von Behandlungsqualität. Vieles wurde inzwischen auch von der gesetzlichen Qualitätssicherung übernommen – insbesondere die Nachbetrachtung.
Anhand von anonymisierten Abrechnungsdaten können wir nämlich sehen: Wie geht es dem Patienten während des Krankenhausaufenthalts und ein halbes Jahr oder ein Jahr, nachdem ihm in Klinik X ein künstliches Kniegelenk eingesetzt wurde? Hat er noch Schmerzen? Gab es Komplikationen, wie zum Beispiel eine Infektion? Musste er sogar noch einmal operiert werden? Diese Nachbetrachtung ist sehr wichtig für den Patienten. Denn gerade im orthopädischen Fachbereich treten 50 bis 70 Prozent der Komplikationen nach einem Krankenhausaufenthalt, im sogenannten Follow-up auf. Und bei einem planbaren Eingriff wie der Implantation eines künstlichen Kniegelenks sollte sich der Patient fragen: Welches Krankenhaus bietet die beste Qualität für so einen Eingriff?
Wenn sich der Patient für Klinik X mit drei AOK-Bäumchen in der Krankenhaussuche entscheidet, kann er sicher sein: Die Wahrscheinlichkeit, dass nach dem Eingriff solche Beschwerden auftreten, ist in dieser Klinik X wesentlich geringer als in der Klinik Y, die nur ein Bäumchen bekommen hat.
Und welchen Einfluss hat das auf die Behandlungsqualität in den Krankenhäusern?
Wir haben in den vergangenen zehn Jahren immer wieder ganz gezielt das Gespräch mit den Kliniken gesucht, die nur ein AOK-Bäumchen hatten und haben mit ihnen über ihre Qualitätsergebnisse gesprochen. Denn aus unseren Analysen lässt sich in der Regel ablesen, wo es im Vergleich mit anderen Kliniken hakt: Sind es die Prozesse vor, während oder nach der Operation? Diese Daten bekommen die Krankenhäuser sonst nirgendwo anders.
Und auch wenn einige Kliniken anfangs skeptisch reagieren: Aufgrund der sehr sachlichen und detaillierten Aufbereitung der uns vorliegenden Klinikdaten sind die konstruktiven und qualitätsorientierten Gespräche im Laufe der Zeit immer mehr geworden. Viele Krankenhäuser nutzen mittlerweile unsere Analysen, um aktiv an der Qualität ihrer Behandlungen zu arbeiten. Mit dem Ergebnis, dass sie sich auch häufig in ihren Qualitätsergebnissen in den Folgejahren verbessern – und dann zwei oder gar drei statt nur ein AOK-Bäumchen bekommen. Und das kommt natürlich wiederum auch unseren Versicherten zugute.
Mitte Mai ist der „Bundes-Klinik-Atlas“ gestartet. Das neue Transparenzportal des Bundesgesundheitsministeriums soll ebenfalls die Behandlungsergebnisse der Kliniken transparent machen – wurde aber auch stark kritisiert. Macht dieses Portal die AOK-Krankenhaussuche nun überflüssig?
Nein. Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt empfehle ich allen Versicherten, sich weiterhin vor einer geplanten Operation mit unserer Krankenhaussuche über die am besten geeignete Klinik zu informieren. Die AOK-Krankenhaussuche betreiben wir mittlerweile seit rund 20 Jahren, während der Bundes-Klinik-Atlas noch in den Kinderschuhen steckt und entsprechend auch noch einige Kinderkrankheiten aufweist. So sind die Daten, die dort abrufbar waren, offenbar nicht ausreichend validiert worden, sie waren zum Teil noch fehlerbehaftet. Auch Qualitätsergebnisse sind dort nur sehr spärlich zu finden.
Unsere Daten werden mehrfach im Jahr überprüft, wir verlassen uns nicht auf die Eigenangaben der Kliniken, sondern checken auch gegen, ob das so stimmt. Und wir haben natürlich sehr, sehr viele Qualitätsinformationen in der AOK-Krankenhaussuche abrufbar, die im Bundes-Klinik-Atlas noch komplett fehlen.
Aber grundsätzlich möchte ich sagen, dass ich es gut und richtig finde, dass sich Herr Lauterbach vorgenommen hat, die Transparenz über die Behandlungsergebnisse für breite Bevölkerungsschichten zu erhöhen und mit dem Bundes-Klinik-Atlas dem Beispiel unserer AOK-Krankenhaussuche folgt. Und mit den angekündigten Updates wird sich der Klinik-Atlas sicherlich verbessern.