Lila Möhren und bunter Mais: GemüseAckerdemie macht gesunde Ernährung mit allen Sinnen erlebbar

Die Zahl übergewichtiger Kinder steigt stetig. Um dem entgegenzuwirken, fördert die AOK Nordost gemeinsam mit der GemüseAckerdemie 75 Schulgärten. Warum selbstgezogene lila Möhren und bunter Mais das Leben von Grundschülern verändern können, erläutert AOK-Präventionsexpertin Nicole Müller.

Frau Müller, Bundesminister Cem Özdemir hat zusammen mit AOK-Vorstand Hans- Joachim Fritzen an der Neuköllner Grundschule am Regenweiher mehrere Gemüsesorten angepflanzt. Der Anlass: Die Neuköllner Grundschule ist schon die tausendste Schule, an der unser Kooperationspartner GemüseAckerdemie einen Acker anlegt. Was ist die Idee hinter der GemüseAckerdemie?


Nicole Müller: Die Idee der GemüseAckerdemie ist, gesunde Ernährung mit allen Sinnen erlebbar zu machen. Zunächst wird ein Schulacker angelegt, darauf bauen die Kinder selbst bis zu 30 Gemüse-Sorten an, ernten diese und vermarkten sie auch. Die Lehrkräfte werden im Vorfeld geschult, so dass das Projekt sehr selbstständig läuft und auch der Unterricht am Acker stattfinden kann. Der Schulacker soll ein richtiger Lernort werden, dass dort gezogene Gemüse und das Thema gesunde Ernährung beziehen die Lehrkräfte in verschiedenen Fächer mit ein. Für die Kinder ist natürlich dieses praktische Erleben am eindrücklichsten, dass sie wirklich sehen, wie das Gemüse wächst und gedeiht. Es ist etwas anderes, ein Bund Möhren im Supermarkt zu kaufen, oder die Möhren selber großzuziehen und zu ernten. Das gibt eine ganz andere Wertschätzung, und die Kinder bekommen richtig Lust, dieses Gemüse dann auch selbst zu essen.

Zur Person

Nicole Müller ist Diätassistentin und koordiniert bei der AOK Nordost Projekte in
der Lebenswelt Schule zum Thema Ernährung.

Sie haben vor der Corona-Pandemie Erntefeste an Gemüse-Ackerdemie Schulen besucht. Was haben Sie da erlebt?


Das ist wirklich ein ganz tolles Erlebnis, wenn man sieht, wie die Kinder auf dem Schulacker herumlaufen, wie die da gemeinsam arbeiten. Die beißen in lila Möhren rein oder in bunten Mais, denn unser Kooperationspartner Acker e.V stellt auch alte Gemüsesorten zur Verfügung, die auch mal ein bisschen anders aussehen als im Supermarkt. Die Radieschen sind riesig, und die Kinder helfen sich auch gegenseitig: der eine kann besser mit dem Spaten umgehen, die andere kann ein bisschen besser den Dreck abmachen. Die Kinder strahlen, bewegen sich viel, soziale Kompetenz wird gefördert. Aber vor allem finde ich toll, wie fasziniert die Kinder von dem selbst geernteten Gemüse sind. Wenn man die Stimmung mal erlebt hat, dann weiß man: die Kinder bringen das Thema mit zu ihren Eltern nach Hause. So bleibt das Projekt nicht nur auf die Schule begrenzt, sondern wir erreichen dadurch auch die Familien.

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Viele Kinder kennen leider gar nicht mehr viele Gemüsesorten oder wissen auch gar nicht viel damit anzufangen. Wirkungsanalysen zur GemüseAckerdemie haben gezeigt: Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler, die mitmachen, essen hinterher mehr Gemüse. Und wenn Kinder mehr Gemüse essen und in der Schule lernen, welches Essen gesund ist und welches ungesund, dann hat das oft einen Effekt. Vor allem, wenn die Kinder erst einmal erlebt haben, wie lecker Gemüse schmeckt , dann nehmen sie das für ihr ganzes weiteres Leben mit. Damit leisten wir einen wirksamen Beitrag für die Gesundheit dieser Kinder.

Die Neuköllner Grundschule am Regenweiher, in der heute der tausendste Schulacker bepflanzt wird, liegt in der Hochhaus-Siedlung Gropiusstadt. Sind in solchen sozial schwächeren Stadtteilen Präventionsangebote für gesunde Ernährung an Schulen besonders wichtig?


Ja, es ist leider so, dass die Bewohner dieser Gebiete im Schnitt ein geringeres Wissen über Ernährung haben als in anderen Stadtteilen. Zudem müssen sie auch oft sehr aufs Geld schauen. Kinder, die bei der GemüseAckerdemie mitmachen, verarbeiten das Gemüse gemeinsam und lernen Rezepte dazu kennen. Oft können sie Gemüse mit nach Hause nehmen und bereiten es dort mit ihren Eltern zu. Damit das Wissen um gesunde Ernährung insgesamt wachsen kann, ist es ist ganz wichtig, dass wir über die Kinder auch die Eltern erreichen. Denn wer wenig Geld hat, muss sich häufig um andere Themen kümmern und achtet weniger auf Ernährung.

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Die AOK Nordost fördert den GemüseAcker an den Schulen über vier Jahre hinweg. Dadurch können jedes Jahr 15 neue Schulen in den Genuss einer Förderung bekommen. Aber wie geht es mit den Schulen weiter, die aus der Förderung rausfallen?


Die Schulen lernen in den vier Jahren, in denen sie gefördert werden, den Schulacker selbst zu betreiben. Es gibt mehrjährige Pflanzen, es gibt vor allem immer mehr Wissen, denn am Anfang sind ja auch die Lehrer oft unerfahren mit dem Anbau von Gemüse und Kräutern. Aber das prägt sich mit der Zeit ein und deshalb können die meisten Schulen nach vier Jahren eigenständig weitermachen. Acker e.V. unterstützt die Lehrkräfte auch nach den vier Jahren bei Fragen. Aber meistens wissen die Schulen dann schon, was sie anbauen wollen, was vielleicht gerade in dem Gebiet gut ankommt, was vielleicht auch in der Schulküche verwendet werden kann. Der Erfahrung nach sind vier Jahre ein guter Zeitraum, um so einen Schulgarten nachhaltig zu verankern.

Nach zehn Jahren als TV-Autor und Online-Redakteur beim rbb arbeite ich seit 2020 als Referent für Unternehmenskommunikation bei der AOK Nordost. Fachlich zuständig für Datenthemen, Digitalisierung und stationäre Versorgung.

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