Der „gelbe Schein“ ist ein Auslaufmodell, die digitale Krankschreibung zum neuen Standard geworden. Rund 80 Prozent der Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen (AU) übermitteln Berliner Ärztinnen und Ärzte bereits auf digitalem Weg an die Krankenkassen. Was das für die weitere Digitalisierung des Gesundheitssystems bedeutet, erläutert Projektleiter Stefan Geburzi.
Die Einführung der eAU in den Arztpraxen hat sich länger hingezogen als geplant. Aber im November übermittelten Arztpraxen in Berlin schon 77 Prozent der Krankschreibungen als eAU, wie eine Datenanalyse der AOK Nordost zeigt. Rückt damit ein wichtiges Etappenziel hin zu einem digitalisierten Gesundheitssystem in greifbare Nähe?
Stefan Geburzi: Ja, das denke ich schon. Das Thema Digitalisierung insgesamt gewinnt bei Ärztinnen und Ärzten überall dort an Akzeptanz, wo die eAU in der Praxis funktioniert. Und wir haben inzwischen viele positive Rückmeldungen aus den Arztpraxen, die zeigen, dass die Abläufe klappen. Das ebnet ein Stück weit den Weg für die weiteren Digitalisierungsschritte in den Arztpraxen wie E-Rezept und elektronische Patientenakte. Wenn Ärztinnen und Praxispersonal merken, dass solche digitalen Lösungen die Abläufe vereinfachen, dann sind sie auch aufgeschlossener für das, was jetzt noch kommt.
Welche Vorteile haben die Versicherten durch die digitale Krankschreibung im Vergleich zum herkömmlichen gelben Schein?
Der Versicherte muss sich nicht mehr darum kümmern, den Papierbeleg umständlich weiterzureichen, denn die Daten werden elektronisch an die Krankenkasse übermittelt. Wenn die Arztpraxis die elektronische Krankschreibung losschickt, ist sie spätestens nach zwei Minuten bei uns im System. Und damit geht natürlich einher, dass auch die Krankengeld-Zahlung schneller angewiesen werden kann. Am 1.Januar 2023 endet die eAU-Pilotphase der Stufe II, dann müssen Arztpraxen auch die Arbeitgeber-Bescheinigung nicht mehr ausdrucken – und der Versicherte muss seinem Arbeitgeber keinen gelben Schein mehr vorlegen. Den Nachweis bekommt der Arbeitgeber direkt von der Krankenkasse digital übermittelt.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung befragte im Frühjahr Ärztinnen zu ihren Erfahrungen mit der eAU. Das erst kürzlich publizierte Ergebnis: die eAU sparte den Ärzten im Frühjahr noch keine Zeit, sie kostete sogar mehr Zeit, weil der Signiervorgang länger dauerte als das Ausdrucken und Unterschreiben des Papierbelegs. Sind diese Kinderkrankheiten inzwischen behoben?
Ja, die Erstellung und Übermittlung der eAU geht unserer Kenntnis nach inzwischen im Schnitt deutlich schneller als noch im Frühjahr. Es kommt ein Stück weit darauf an, was für ein Praxisverwaltungssystem Arztpraxen nutzen. Wir hören aus Arztpraxen, dass bei großen Software-Anbietern eAUs oft reibungsloser übermittelt werden als bei manch kleinerem Anbieter. Diese sollten schleunigst nacharbeiten, damit Ärzte nicht zu einem schnelleren Anbieter wechseln. Es ist aber auch eine Frage der Routine. Je mehr sich das Praxispersonal an das Ausstellen von eAUs gewöhnt hat, desto schneller geht es. Wir als AOK Nordost schulen ja regelmäßig Praxispersonal zum Thema eAU. Bei der letzten Schulung Mitte November habe ich konkret nachgefragt: Wie läuft es inzwischen bei Ihnen? Funktioniert es gut? Und da waren fast alle Teilnehmerinnen sehr zufrieden mit der eAU. Die eAU läuft in den meisten Arztpraxen rund.
Ab dem 1. Januar 2023 müssen alle Arbeitgeber Krankschreibungen digital bei der Krankenkasse abrufen können. Was müssen Arbeitgeber tun, um sich darauf einzustellen?
Sie müssen klären, wer im Unternehmen dafür verantwortlich ist, die eAU bei der Krankenkasse digital abzurufen – das Steuerbüro, die Personalabteilung oder Sachbearbeiter? Und sie müssen klären, mit welcher Software das passieren soll. Über die Details haben wir Firmenkunden mehrfach in unserem Firmenkundenmagazin informiert. Wir stellen zudem im Netz zum Thema Informationen und ein Erklärvideo bereit – und wir haben Arbeitgeber bei einer Veranstaltung des Unternehmerverbandes Berlin- Brandenburg direkt darüber informiert. Falls Arbeitgeber sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben: Es wird höchste Zeit! Denn ab Januar 2023 wird es keine Papierausdrucke der Krankschreibungen für Arbeitgeber mehr geben. Wenn sie ihre Unterlagen vollständig und nachvollziehbar haben wollen – dann müssen sie sich jetzt schnellstmöglich mit dem Thema auseinandersetzen.