Die Cardiolotsen stehen Herzkranken sowie deren ärztlich und therapeutisch Behandelnden als zusätzliche Ansprechpartner zur Verfügung. Ihre zentrale Aufgabe ist es, die Patientinnen und Patienten persönlich und verständlich in allen Belangen und zu allen Fragen rund um ihre Erkrankung aufzuklären und zu beraten. Darüber hinaus sind die Cardiolotsen seit Jahren ein koordinierendes Bindeglied für Patientinnen und Patienten mit einer Herzerkrankung, wenn sie von der stationären in die ambulante Versorgung wechseln.
Das Team um Prof. Dr. Leonie Sundmacher von der TU München hat den Nutzen im Projekt „Cardiolotse“ für die Patientinnen und Patienten untersucht. An der randomisiert kontrollierten Studie nahmen 2.835 AOK-Versicherte mit den gesicherten Diagnosen Herzinsuffizienz, Koronare Herzkrankheit und/oder Herzrhythmusstörung teil, die im Auswertungszeitraum in einem Berliner Vivantes-Klinikum stationär kardiologisch behandelt wurden. Die Wissenschaftlerinnen untersuchten insbesondere den primären Endpunkt der Rehospitalisierung, also wie oft diese Menschen erneut ins Krankenhaus aufgenommen werden mussten.
Effizienz und Qualität
„Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Auswertung bestärken uns in dem, was wir schon erkannt haben, noch bevor es die Ampelregierung in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben hat: Patientenlotsen werden eine wichtige Rolle in der Gesundheitsversorgung der Zukunft spielen. Sie sind ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer individuellen, zielgerichteten Versorgung, die Effizienz und Qualität vereint“, sagt Daniela Teichert, Vorstandsvorsitzende bei der AOK Nordost.
„Wir wollen, dass unsere Patientinnen und Patienten schneller gesundwerden, länger gesund bleiben und unnötige Krankenhausaufenthalte vermeiden“, kommentiert der Vorsitzende der Vivantes-Geschäftsführung, Dr. Johannes Danckert das Programm. „Dazu müssen wir die bisherige, strikte Trennung zwischen ambulanter und stationärer Versorgung durchbrechen und ganzheitlich aus der Perspektive der Patientinnen und Patienten denken. Und wir können diese neuen Wege nur gemeinsam mit den Kostenträgern bahnen. Für all das steht das Projekt „Cardiolotse.“
Nachgewiesener Patientennutzen
Die Zufriedenheit der Patientinnen und Patienten mit einem Cardiolotsen war bereits bei einer Befragung nach drei Monaten hoch und konnte nach 12 Monaten nochmals deutlich gesteigert werden. So gaben nach einem Vierteljahr 24 Prozent der Befragten an, dass sie mit der Betreuung durch einen Cardiolotsen sehr zufrieden sind. Nach einem Jahr waren es dann sogar 35 Prozent. Darüber hinaus äußerte sich jeweils rund die Hälfte der Befragten zufrieden. Die Zahl der Unzufriedenen ging im Jahresverlauf deutlich zurück.
Vierstellige Einsparung durch Cardiolotsen
Darüber hinaus konnten durch die intensive Betreuung von Cardiolotsen mehrere tausend Euro bei den Kosten im Krankenhaus eingespart werden, da für einige Patientinnen und Patienten eine Wiederaufnahme ins Krankenhaus vermieden werden konnte. Wenn Patientinnen beispielsweise mit einer Herzinsuffizienz doch nochmal in die Klinik mussten, blieben diese dort dank der Betreuung durch einen Cardiolotsen bis zu vier Tage kürzer. „Unsere Studie zeigt deutliche gesundheitsökonomische Effekte, die durch das Projekt ‚Cardiolotse‘ generiert werden konnten. Diese machen sich vor allem bei den signifikant gesunkenen stationären Kosten bemerkbar“, sagt Prof. Leonie Sundmacher von der TU München. „Aber auch die positiven Auswirkungen auf das Leistungsgeschehen, die sich unter anderem in den geringeren Wiedereinweise-Quoten und kürzerer Verweildauer im Krankenhaus widerspiegeln, sind ein deutliches Zeichen dafür, dass die persönliche Eins-zu-eins-Betreuung nach einem Krankenhausaufenthalt Wirkung zeigt.“
Die durchschnittlichen Gesamtkosten für die Behandlung eines Herzpatienten oder einer Herzpatientin im Projekt betrugen in der Kontrollgruppe etwa 19.000 Euro. Eine Unterstützung durch die Cardiolotsen reduziert diese Kosten in der Interventionsgruppe um rund 3.000 Euro. Für die Behandlung eines Herzpatienten oder einer Herzpatientin entstehen mit gut 56 Prozent mehr als die Hälfte der Gesamtkosten im Krankenhaus, weitere fast 13 Prozent durch Arzneimittel.
So unterstützen die Cardiolotsen
Nicht alle Patientinnen und Patienten finden sich im „Dschungel“ des umfangreichen und hochqualitativen ambulanten Behandlungsangebotes gleichermaßen zurecht, oder sie fühlen sich schnell davon überfordert. Hier setzen die Cardiolotsen an: Der Erstkontakt zu den Patientinnen und Patienten erfolgt bereits am Krankenhausbett. So lernen sich beide rasch persönlich kennen und zum Cardiolotsen entsteht ein enges Vertrauensverhältnis. Nach der Entlassung melden sich die Cardiolotsen ein Jahr lang in regelmäßigen Abständen telefonisch bei den Patientinnen und Patienten, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen und die empfohlene Nachsorge sicherzustellen.
So wird beispielsweise in Abstimmung mit den behandelnden Ärztinnen und Ärzten die Einbindung in geeignete Versorgungsangebote wie Reha-Sport, Nikotinentwöhnung, Diätberatung und Disease-Management-Programme der AOK Nordost mit koordinierten Gesundheitsvorsorgemaßnahmen geprüft. Cardiolotsen unterstützen aber auch bei der Koordination von Terminen für ärztliche Kontrolluntersuchungen, bei der regelmäßigen und richtigen Einnahme der Medikamente sowie bei der Suche nach Herzsportgruppen. Die Betreuung durch einen Cardiolotsen geht damit weit über das bisherige Entlassmanagement hinaus.
Wie wird man Cardiolotse?
Der „Cardiolotse“ ist bislang das einzige Lotsenmodell, das auf einer direkten Kooperation zwischen einer Krankenkasse und einem Krankenhausträger basiert. Das Programm wurde 2017 von der AOK Nordost und dem Vivantes Netzwerk für Gesundheit GmbH ins Leben gerufen und als Innovationsfondsprojekt von dem Team um Versorgungsmanagerin Petra Riesner und Prof. Dr. Dr. med. Alfred Holzgreve entwickelt. Mittlerweile ist der „Cardiolotse“ fester Bestandteil der Versorgung an den acht Vivantes-Klinikstandorten in Berlin.
Gesundheitsfachkräfte aus medizinischen Assistenzberufen (Medizinische Fachangestellte sowie Gesundheits- und Krankenpfleger) erwerben die Qualifikation zum Cardiolotsen durch eine zweimonatige Qualifizierung. Diese beinhaltet Lernmodule wie Kommunikationstraining, die Vermittlung von medizinischem Fachwissen mit kardiologischem Schwerpunkt, Hospitationen, Daten-Management und Coaching. Durchgeführt werden die Schulungen sowohl von Kardiologinnen und Kardiologen sowie kardiologischen Pflegefachkräften von Vivantes als auch von den Expertinnen und Experten der AOK Nordost, hier speziell zur Sekundärprävention und zu den sozialrechtlichen Grundlagen.
Wer kann am Versorgungsprogramm „Cardiolotse“ teilnehmen?
An dem Programm können bei der AOK Nordost Versicherte teilnehmen, die 18 Jahre oder älter sind, sich in einer Vivantes-Klinik an den Standorten am Urban, im Friedrichshain, Spandau, Auguste-Viktoria, Wenckebach, Humboldt, Neukölln und Kaulsdorf in stationärer Behandlung befinden oder befunden haben (bis sechs Wochen nach der Entlassung) und mindestens eine der folgenden Diagnosen aufweisen:
- Angina pectoris
- akuter Myokardinfarkt
- rezidivierender Myokardinfarkt
- akute Komplikationen nach akutem Myokardinfarkt
- sonstige akute ischämische Herzkrankheit
- chronische ischämische Herzkrankheit
- paroxysmale Tachykardie
- Vorhofflimmern und Vorhofflattern
- sonstige kardiale Arrhythmien (Herzrhytmusstörungen) oder Herzinsuffizienz.
Weitere Informationen zum Cardiolotsen auf der Projektseite https://www.cardiolotse.de/
Videomitschnitt des Symposiums vom 12.10.2022: YouTube (2 Stunden 6 Minuten)
Bericht über eine Patientin und ihre Erfahrungen: Man hat da jemanden, der weiterhelfen kann
Fotos: Andre Piorek