Parteien-Check: Die Zukunft der gesundheitlichen Versorgung ist sektorenunabhängig

Eine Besonderheit des deutschen Gesundheitssystems ist die getrennte Versorgung von Patienten durch einen ambulanten und durch einen stationären Sektor. Die wenig abgestimmte Versorgung der Patienten durch beide Sektoren führt zu Unter- und Überversorgung. Dies wirkt sich auf die Qualität aus, hat Nachteile für die Patienten und verschwendet Ressourcen. Knappe Fachkräfte können nicht zielgerichtet eingesetzt werden und Wirtschaftlichkeitsdefizite in der Finanzierung der Versorgungsangebote gehen damit einher.  

Das Aufbrechen dieser starren Strukturen wird seit Langem in der Gesundheitspolitik diskutiert. Hier gilt es jetzt konkrete Veränderungen vorzunehmen.  

Die fünf aktuell im Bundestag vertretenen, demokratischen Parteien, thematisieren die sektorenübergreifende Versorgung in ihren Wahlprogrammen. Es herrscht Einigkeit, dass durch digitale Vernetzung und Verzahnung der Akteure die starren Sektorengrenzen abgebaut werden müssen. Die AfD äußert sich nicht explizit zu dem Thema.  

Versorgung neu denken – regional und gut verzahnt

Die Unionsparteien CDU/CSU bleiben mit ihren Überlegungen auf der Metaebene. Sie setzen in einem zukunftsfähigen Gesundheitswesen auf stärkere vernetzte Zusammenarbeit der einzelnen Akteure und wollen das Potenzial der Digitalisierung nutzen. Digitale Versorgungsketten sollen Informationslücken zwischen Praxis und Krankenhaus beseitigen. 

Der Vergleich: Hier als PDF herunterladen.

Die SPD widmet sich dem Thema ausführlicher. Die Sozialdemokraten möchten eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung durch eine Neuordnung der Rollenverteilung zwischen ambulantem und stationärem Sektor, durch eine Überwindung der Sektorengrenzen und eine gute Koordination und Kooperation der medizinischen, psychotherapeutischen und pflegerischen Berufe erreichen.  

Die SPD fordert deshalb eine stärkere Öffnung von Krankenhäusern für ambulante, teambasierte und interdisziplinäre Formen der Versorgung und möchte die Kommunen bei der Einrichtung und beim Betrieb der integrierten medizinischen Versorgungszentren stärken. Insgesamt setzt sie sich für eine bedarfsgerechte Grundfinanzierung der Kliniken ein, sowie für den Erhalt der Versorgung inklusive Ausbau der integrierten Versorgungszentren in den ländlichen Regionen und eine integrierte, bessere Notfallversorgung.  

Für eine gute Versorgung in Stadt und Land wollen Bündnis 90/Die Grünen durchsetzen, dass ambulante und stationäre Angebote in Zukunft übergreifend geplant werden und etwa regionale Versorgungsverbünde mit enger Anbindung an die Kommunen gefördert werden. Perspektivisch soll es eine gemeinsame Abrechnungssystematik für ambulante und stationäre Leistungen geben. 

Gleichzeitig soll die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen gestärkt werden. Denn die Versorgung muss von den Patientinnen und Patienten her gedacht werden. Dafür wird insbesondere die Einrichtung von gemeinwohlorientierten regionalen Gesundheitszentren unterstützt, in denen alle Gesundheitsberufe unter gemeinsamer Trägerschaft auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die Aufgabenverteilung im Gesundheitswesen wird so reformiert, dass nichtärztliche Gesundheits- und Pflegeberufe mehr Tätigkeiten sowie die Verordnung von Hilfsmitteln und pflegenahen Produkten eigenverantwortlich übernehmen können. 

Die Freien Demokraten (FDP) setzen sich dafür ein, dass jede Patientin und jeder Patient die beste Versorgung erhält. Dafür muss die Gesundheitsversorgung künftig umfassend, regional und patientenzentriert gedacht werden. Sie wollen die künstliche Sektorenbarriere zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich konsequent abbauen und die Verzahnung und Vernetzung aller Versorgungsbereiche weiterentwickeln. 

Integrierte Gesundheitszentren sollen dabei unterstützen, die regionale Grundversorgung mit ambulanten und kurzstationären Behandlungen zu sichern. 

Die Bedürfnisse des ländlichen Raums mit seiner besonderen Versorgungsstruktur sollen durch entsprechende Programme berücksichtigt werden.  

Sie lassen sich weiterhin vom Grundsatz „ambulant vor stationär“ leiten. Die FDP ist der Meinung, dass die gesetzlichen Vergütungsregelungen es derzeit erschweren, Behandlungsmethoden aus dem Krankenhaus in den ambulanten Sektor zu überführen. Sie wollen daher für die Dauer der Entscheidungsverfahren die stationäre Vergütung erhalten, damit keine Patientin und kein Patient unversorgt bleibt. 

Die Partie DIE LINKE möchte regionale Versorgungszentren mittelfristig zum Rückgrat der wohnortnahen Gesundheitsversorgung machen. Sie sollen sowohl ambulante als auch akutstationäre, notfallmedizinische, psychotherapeutische, (gemeinde-)pflegerische und weitere therapeutische Behandlungen in einer Region koordinieren und als zentrale Anlaufstelle für alle Patientinnen und Patienten dienen. Sie wollen eine Versorgung aus einer Hand und ein berufsübergreifendes Arbeiten mit familienfreundlichen Arbeitszeiten fördern. Die regionalen Gesundheitszentren bilden wichtige Schnittstellen zu anderen Versorgungsbereichen wie Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Suchthilfe und weiteren Angeboten. Sie sollen auch präventiv und am Gemeinwesen orientiert arbeiten, gerade in Bezug auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Voraussetzungen von Gesundheit. 

Die Linken wollen, dass stationäre und ambulante Versorgung gemeinsam nach Gemeinwohlinteressen geplant und gestaltet wird. Auch die psychotherapeutische, physio- und ergotherapeutische, logopädische und podologische Versorgung sowie Hebammen und Apotheken müssen überall erreichbar sein. Sie wollen gemeinsame Planungsgremien auf Landesebene unter Beteiligung von Patientenvertretungen, Ländern und Kommunen, Ärztinnen und Ärzten, Krankenhäusern und Krankenkassen einrichten. 

Sie unterstützen Modellprojekte für neue Versorgungsformen wie die bestehenden und entstehenden Stadtteilgesundheitszentren und Polikliniken. Damit sie ihren Anspruch an eine integrierte, multiprofessionelle und sozialraumorientierte Versorgung erfüllen können, setzen sie sich für die Einführung einer neuen Form von Leistungserbringung im Sozialgesetzbuch ein. 

Die AfD äußert sich nicht explizit zur sektorenübergreifenden Versorgung.  

Mutige Schritte für einen ganzheitlichen Versorgungansatz

Die AOK Nordost ist der Meinung, dass in der gesundheitlichen Versorgung mutige und konsequente Schritte hin zu sektorenunabhängigen Patientenpfaden gebraucht werden.  

Insbesondere in den ländlichen Regionen schreitet der demografische Wandel rasant voran. Die Bevölkerung in diesen Gebieten schrumpft und die Menschen, die noch bleiben, werden immer älter. Das hat zur Folge, dass der Bedarf an medizinisch/pflegerisch/therapeutischen Leistungen wächst. Auf der anderen Seite erleben wir gerade auf diesen Gebieten einen zunehmenden Fachkräftemangel.  

Um das Leistungsversprechen der GKV auch künftig zu gewährleisten, sind Anpassungen an der derzeitigen Gesundheitsversorgung notwendig. Durch die Entwicklung eines ganzheitlichen Versorgungsansatzes sollen Struktur, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung gesteigert werden.  

Die Gesundheitskasse hat daher zehn Vorschläge erarbeitet, wie sich eine regionale und sektorenunabhängige Gesundheitsversorgung der Zukunft im Einzelnen gestalten sollte: 

Für ein zukunftsorientiertes System sollten neben der Anpassung bereits bestehender regionaler Versorgungsstrukturen die Versorgung in regionalen Verbünden organisiert werden und eine ganzheitliche regionale Versorgungsplanung umgesetzt werden. Das regionale Ambulantisierungspotenzial muss ebenso ausgeschöpft werden, wie die Chancen digitaler Unterstützungsmöglichkeiten. Zusätzlich könnte ein „Kontakt Center“ die Wege von Patientinnen und Patienten besser koordinieren. Die Kompetenzen der nichtärztlichen Gesundheitsberufe, wie Physiotherapeutinnen, Apothekern oder medizinischen Fachpersonal muss gestärkt werden. Die Menschen selber müssen gut aufgeklärt die Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen können und in Ihrer Gesundheitskompetenz gestärkt werden. So kann auch Pflegebedürftigkeit vorgebeugt werden. Letztlich wird es aber auch darauf ankommen, sektorenübergreifende Finanzierungsformen zu entwickeln, um der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen Rechnung zu tragen.   

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