Eigenanteile in der Pflege erreichen 2023 neuen Spitzenwert

Bewohner und Bewohnerinnen von Pflegeheimen mussten 2023 so viel Geld aus eigener Tasche für einen Platz im Pflegeheim bezahlen wie noch nie. Der einrichtungseinheitliche Eigenanteil (EEE) ist laut einer Auswertung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) erneut gestiegen.

In Berlin mussten Pflegebedürftige im Jahr 2023 insgesamt durchschnittlich 2103 Euro pro Monat selbst zur stationären Pflege zuzahlen und damit rund neun Prozent mehr als im Jahr 2022. In Brandenburg waren es 14 Prozent mehr und damit durchschnittlich 2034 Euro. In Mecklenburg-Vorpommern stieg der Wert um rund elf Prozent erstmals auf 1837 Euro monatlich. Bei der Ermittlung dieser Werte hat das WIdO bereits die durchschnittliche Entlastung durch die gestaffelten Leistungszuschläge abgezogen. Die Beträge variieren jedoch von Einrichtung zu Einrichtung.  Seit dem 31. Dezember 2021 sind die einrichtungsbezogenen Eigenanteile bundesweit in jedem fünften Kreis um mehr als 572 Euro gestiegen.

Überdurchschnittlich hoch waren die Anstiege auch in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, mit teils erheblichen Spannen von mehreren hundert Euro. So lag der Anstieg im Landkreis Rostock mit 677 Euro in MV am höchsten und in der Landeshauptstadt Schwerin mit 399 Euro an niedrigsten.  In Brandenburg sind der Elbe-Elster-Kreis mit 685 Euro und die Stadt Frankfurt (Oder) mit 676 Euro Spitzenreiter. Am geringsten stieg der EEE in Potsdam mit 362 Euro.

Finanzierung der Investitionskosten als Hebel für Entlastung

Am 26. Februar dreht sich bei der Expertendiskussion „AOK-Forum live“ in Schwerin alles um die Anforderungen an eine nachhaltige Finanzierung und gute Qualität in der Pflege. Auf dem Podium diskutiert die Vorständin der AOK Nordost, Daniela Teichert, mit  Prof. Dr. Heinz Rothgang von der Universität Bremen und weiteren Gästen aus Politik und Gesundheitswesen über die Zukunft der Pflege. Hier geht es zur Anmeldung.

Ein Grund für die Preissteigerungen ist unter anderem die gesetzliche Verpflichtung für Pflegeeinrichtungen, seit dem 1. September 2022 die Beschäftigten in der Pflege sowie Betreuung nach Tarif beziehungsweise einer kirchlichen Arbeitsrechtsregelung oder nach dem regional üblichen Entgeltniveau zu bezahlen. Das betrifft alle bisher tarifungebundenen Einrichtungen und den Großteil aller vollstationären Einrichtungen. Jede Gehaltssteigerung des Pflegepersonals steigert die Eigenanteile der Bewohner im Heim. Neben den Personalkosten sind auch die Preise für Lebensmittel, Dienstleistungen etc. gestiegen. Das führt zu einer weiteren Kostensteigerung in den Einrichtungen.

Die seit Anfang 2022 von der Pflegeversicherung gezahlten Leistungszuschläge führten kaum zu einer Entlastung, wie die Zahlen des WIdO zeigen. Lag der durchschnittliche Eigenanteil beispielsweise in Brandenburg im Jahr 2022 mit 1750 Euro pro Monat unter dem Vorjahresniveau von 2021 in Höhe von 1935 Euro, so stieg der Wert im vergangenen Jahr mit 2034 Euro sogar deutlich darüber hinaus. Ähnliche Entwicklungen sind auch in MV und Berlin zu verzeichnen.

„Die Steigerung der Eigenanteile frisst die Leistungszuschläge praktisch wieder auf“, fasst Jens Kreutzer, Fachbereichsleiter Pflege-Verträge bei der AOK Nordost, zusammen. Um diese Entwicklung abzuschwächen, ist mit Jahresbeginn bereits der Leistungszuschlag auf den zu zahlenden Eigenanteil erhöht worden (siehe Infokasten). Eine bundesweite Prognose des WIdO zeigt jedoch, dass diese Entwicklung fortbestehen wird. „Wenn man von einer im Vergleich zu den Vorjahren eher moderaten Steigerung der Eigenanteile um 10 Prozent ausgeht, werden die Eigenanteile bereits 2025 trotz der beschlossenen Erhöhungen der Zuschläge und der Dynamisierung der Leistungssätze wieder über dem Niveau von 2023 liegen“, so Dr. Antje Schwinger, Leiterin des Forschungsbereichs Pflege beim WIdO.

Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Stefanie Drese hatte daher gleich zu Jahresbeginn gefordert, die Bürgerinnen und Bürger weiter zu entlasten. „Die Zuschüsse dämpfen zumindest einen Teil der gestiegenen Heimkosten. Um die Belastungen für die Menschen zu reduzieren, braucht es eine grundsätzliche Reform der Pflegeversicherung“, so Drese in einer Pressemitteilung.

Die AOK Nordost sieht die Bundesregierung in der Pflicht

Auch die AOK Nordost setzt sich seit langem mit dem Konzept zur „Weiterentwicklung der Pflege 2030 für eine strukturelle Pflegereform ein und schlägt z.B. den Wegfall der überholten Trennung von stationärer und ambulanter Pflege sowie eine aktivere Rolle der Pflegekassen im Sinne eines Pflegelotsen vor. Dies sollte bestmöglich durch eine gleichmäßige Verteilung der Pflegeanbieter unterstützt werden, um sowohl in der Stadt als auch auf dem Land eine qualitativ hochwertige Pflege zu sichern. Nur durch eine Modernisierung der Sozialen Pflegeversicherung und eine nachhaltige Finanzierung unter Beteiligung des Bundes kann den sich zunehmend verschärfenden Problemen der Sozialen Pflegeversicherung begegnet werden.

Erste Vorkehrungen für eine Entlastung in der Sozialen Pflegeversicherung hat sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag zwar selbst zum Ziel gesetzt. „Diese Vorhaben müssen nun aber auch endlich umgesetzt werden. Allein durch die vollständige Herauslösung der Ausbildungsumlage und der Investitionskosten aus den Eigenanteilen könnten Heimbewohnerinnen und -bewohner um mehrere hundert Euro pro Monat entlastet werden. So lag der Anteil der Investitionskosten im vorigen Jahr in Berlin bei 396 Euro, in Brandenburg bei 347 Euro und in MV bei 352 Euro. Weitere gesamtgesellschaftliche Kosten wie etwa die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige müssen ebenfalls endlich über Bundesmittel finanziert werden. Dann wäre mehr Geld im Topf, um die Pflegebedürftigen zu entlasten“, betont Jens Kreutzer.

Weitere Informationen zu den Entwicklungen der Eigenanteile finden Sie beim Wissenschaftlichen Institut der AOK.

Grundsätzlich bedeutet die Pflegebedürftigkeit für die Betroffenen selbst, aber auch für ihre Angehörigen, für den Freundes- und Bekanntenkreis eine große physische, psychische und finanzielle Belastung. Darüber hinaus gibt es in den Familien im Vergleich zu früher weniger Kinder, die meistens berufstätig sind oder gar nicht im selben Ort leben und deshalb nur wenig oder gar keine Zeit haben, sich intensiv um ihre pflegebedürftigen Eltern zu kümmern. Deshalb gibt es für Pflegebedürftige und deren Angehörige beziehungsweise das befreundete Umfeld unterschiedliche Hilfsangebote.

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