Im ganzen Land vernetzt für gezielte Prävention vor Ort

Die Chancen, ob jemand gesund aufwächst oder nicht, sind unterschiedlich verteilt. Deshalb sollte die Förderung der Gesundheit direkt vor Ort in den jeweiligen Lebenswelten erfolgen – also dort, wo die Menschen erreicht werden können: in den Kommunen. Wichtig ist dabei, Gesundheit immer aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Das sagt Ulrike Beyer vertretend für die Geschäftsstelle GKV-Bündnis für Gesundheit in Brandenburg im Interview. 

Ulrike Beyer, das „GKV-Bündnis für Gesundheit in Brandenburg“ klingt ja erst einmal nach einem typischen Titel aus dem Behördendeutsch. Was steckt dahinter? 

Das GKV-Bündnis ist eine gemeinsame Initiative der gesetzlichen Krankenversicherung zur Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten. Die kassengemeinschaftliche Förderung selbst ist seit 2016 gesetzlich vorgeschrieben. Die Arbeit teilt sich dabei auf verschiedene Ebenen auf: Die Bundesebene moderiert die Prozesse zur nationalen Präventionsstrategie und gestaltet daraus Bundesrahmenempfehlungen. Und auf Länderebene gibt es dann noch die Landesrahmenvereinbarung zwischen den Krankenkassen und weiteren Sozialversicherungsträgern sowie der Landesregierung. Denn die Gesundheitsförderung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die somit auch von allen gemeinsam angegangen werden muss. Dabei ist es wichtig, Gesundheit aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Gesetzlich verankert wurde die landesbezogene Gründung der Arbeitsgemeinschaft GKV-Bündnis für Gesundheit im Paragraphen 20a SGB V. Seit Jahresbeginn 2024 ist das GKV-Bündnis in Brandenburg als Arbeitsgemeinschaft organisiert, das ehemalige Programmbüro heißt nun Geschäftsstelle. 

Und worum geht es? 

Letztlich geht es darum, dass wir uns die Gesundheitshemen im Land gemeinsam anschauen. Dabei fragen wir uns, welches Thema in welcher Region gerade am brennendsten ist. Nicht alle Kommunen haben zur gleichen Zeit immer den gleichen Schwerpunkt. Für die eine Kommune ist vielleicht „Gesund älter werden“ eher ein Thema, in einer anderen „Gesund aufwachsen“.  

Letztlich sollen also Projekte oder Programme die Gesundheit der Menschen „in den Lebenswelten“ fördern – was ist darunter zu verstehen? 

Die Prävention geschieht vor Ort, also in den Regionen und vor allem auch dort, wo man die Menschen erreicht. Das können die Schule, die Kita oder der Sportverein sein. Aber genauso gut auch andere Freizeiteinrichtungen. Das Ziel des GKV-Bündnisses ist es letztlich, die Lebensverhältnisse vor Ort positiv zu verändern, sei es mit neuen Angeboten oder auch einfach, dass die Strukturen in Bezug auf die Gesundheitsförderung effizienter gestaltet werden. Dabei muss man eher auf den Sozialraum schauen und weniger auf den einzelnen Menschen. Das Wie spielt dann eine besondere Rolle: Wie gestaltet sich dieses Gefüge insgesamt vor Ort? Aber auch: Was für Belastungen sind da und was für Ressourcen? Wir müssen uns immer die Frage stellen: Wen erreichen wir wo mit welchen Angeboten? 

Und wie kann das gelingen? 

Im Grunde ist es so: Die Chancen, ob jemand gesund aufwächst oder nicht, sind unterschiedlich verteilt. Es macht einen Unterschied, ob in der Familie unterstützende Vorbilder vorhanden sind oder zum Beispiel ein Elternteil an einer Sucht erkrankt ist. An solchen Themen arbeiten wir mit den Projekten. Wie kann beispielsweise eine pädagogische Fachkraft darauf reagieren, wenn ein Elternteil eine Alkoholfahne hat? Wie kann und sollte sie damit umgehen? Wir sensibilisieren beispielsweise die Fachkräfte in den Kitas, direkt in der Lebenswelt der Kinder, und wirken damit letztlich positiv auf die Gesundheit dieser Kinder ein. Und die Erziehenden werden befähigt, nicht nur die Risikofaktoren wie eine Suchterkrankung zu sehen, sondern auch die Ressourcen, welche Unterstützungsmöglichkeiten es beispielsweise gibt. 

In Brandenburg spielt auch die zunehmende Alterung der Bevölkerung eine zentrale Rolle, wenn es um Gesundheit geht… 

Laut Herrn Asmus, dem Seniorenbeauftragten im Land, wird jeder dritte Mensch bis 2030 über 65 Jahre alt sein in Brandenburg. Da gibt es einfach auch Unterschiede im Zugang zu Angeboten. Wer kann diese Angebote überhaupt in Anspruch nehmen? Oder spricht ein Bewegungsangebot immer dieselben Gruppen an? Diese strukturellen Probleme versuchen wir zu lösen und dann natürlich auch weiter zu denken. Wir müssen uns schließlich die Frage stellen, wie wir generationsübergreifend arbeiten können. Früher lag die Lebenserwartung nach dem Renteneintritt vielleicht noch im Schnitt bei 15 Jahren. Heute werden die Menschen im Durchschnitt älter. Diese ältere Generation wird damit zunehmend zu einer wichtigen Ressource, die stärker im Ehrenamt oder innerhalb des familiären Zusammenhalts eingebunden werden könnte. Auch Bildung oder Mobilität, die ländliche oder städtische Entwicklung, haben natürlich einen riesigen Einfluss auf die Lebensverhältnisse vor Ort. Und wenn wir da nicht zusammenarbeiten, dann funktioniert es nicht. 

Spielt deswegen die regionalen Akteure bei der Prävention eine so wichtige Rolle? 

Es ist schwierig, von der Landesebene aus in jede einzelne Region zu gehen. Dafür würden wir im großen Flächenland Brandenburg sehr viele Mitarbeitende benötigen. Gleichzeitig würde eine Kommune es nur schwer schaffen, die regionalen Projekte auf andere Regionen zu übertragen. Das ist einfach zu viel verlangt. Beide Seiten können sich aber sehr gut ergänzen. Nehmen wir beispielsweise das Projekt „selbstbestimmt – Suchtprävention für vulnerable Zielgruppen im Land Brandenburg“: Das kann sehr gut Vernetzungen schaffen und Prozesse anschieben. Darin werden Fachkräfte überregional qualifiziert und das Projekt kann auch punktuell vor Ort unterstützen. Gleichzeitig können die Erkenntnisse aus den einzelnen Regionen in die Fläche getragen werden. Aber Prävention geschieht eben vor Ort und ist immer auch abhängig von den handelnden Akteurinnen und Akteuren, die sich engagieren. In der Stadt Brandenburg an der Havel wurde beispielsweise mit „YoHo/Havelseiltänzer” ein ähnliches Angebot als Projekt für Kinder aus suchtbelasteten Familien ins Leben gerufen. Die unterschiedlichen Rollen von landesweiten und regionalen Projekten werden in diesem Fall sehr deutlich. Die Landesebene ist dann eine Art Lotse in dem System. Und wenn alle ihre Rolle gut ausfüllen, dann können auch alle voneinander profitieren. 

Brandenburg steht vor der besonderen Herausforderung, auf der einen Seite große Städte und auf der anderen Seite dünnbesiedelte Flächen zu haben. Wie wirkt sich das auf das Thema Prävention aus? 

Wir haben in Brandenburg die ländlichen Regionen, die sehr besonders dünn besiedelt sind. Beispielsweise die Prignitz und Uckermark im Norden oder Elbe Elster im Süden. Im Vergleich zu anderen Flächenländern sind einfach die Unterschiede durch die boomende Hauptstadtregion noch mal anders. Dazu gibt es noch die Euro-Regionen zur polnischen Grenze hin. Zum Teil gibt es in Brandenburg sehr lange Fahrwege, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum zu bewältigen sind. Daraus ergeben sich für Präventionsangebote natürlich immer Herausforderungen. Dazu kommt, dass Gesundheitsförderung immer noch eine freiwillige Aufgabe für die Kommunen ist. Diese sind nach verschiedenen Umbrüchen der Verwaltungsstrukturen in den vergangenen Jahrzehnten immer noch dabei, sich bei ihren Pflichtaufgaben gut aufzustellen. Prävention und Gesundheitsförderung sollten meiner Meinung nach aber eben nicht on top gedacht werden. All die Themen, die uns aktuell beschäftigen, wie Generationengerechtigkeit, Digitalisierung, Klimawandel – all das hängt mit der Gesundheit der Menschen zusammen und die Lösungen dieser Probleme müssen auch zusammen gedacht werden. Mit dem GKV-Bündnis fördern wir Strukturen, die Gesundheitsförderung integriert angehen, weil es sich natürlich perspektivisch auf jeden Fall auszahlt. Der Gesetzgeber nimmt bisher jedoch sehr einseitig die Krankenkassen in die Pflicht. Aber ich glaube, dass man andere Institutionen verbindlicher in die Verantwortung nehmen könnte. Im Grunde kann man es sich nicht leisten, keine Prävention zu betreiben. Die Kosten und die Herausforderungen werden nicht weniger. Im Sinne einer Zukunftsorientierung wäre es deshalb wichtig, ein Präventionsgesetz zu entwickeln, das der gesellschaftlichen Verantwortung gerecht wird. 

Kontakt: Ulrike Beyer (AOK Nordost)
Telefon: 0800 265080-31949

Geschäftsstelle ARGE GKV-Bündnis für Gesundheit Brandenburg  
(www.gkv-buendnis.de)

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