„Telemedizin muss Normalität werden“

Das Telemedizin-Pilotprojekt kam gut an – sowohl bei Ärztinnen und Ärzten, als auch in den Pflegeheimen und bei den Patientinnen und Patienten. Wie sah das in der Praxis aus? Astrid Bräuer, Pflegeheimleiterin im Seniorenpflegeheim Haus Sonnenberg in Parchim in Mecklenburg-Vorpommern, über die Schwierigkeiten in der hausärztlichen Versorgung – und eine Ärztin, die jetzt im Fernsehen ist.

Frau Bräuer, welchen Herausforderungen begegnen Sie in der hausärztlichen Versorgung im Pflegeheim? 

Wir haben Schwierigkeiten, Hausärzte zu finden. Es ist so: Wenn die Menschen aus einer größeren Entfernung zu uns kommen, müssen wir eine neue hausärztliche Betreuung organisieren, wenn den bis dahin versorgenden Ärztinnen und Ärzten der Fahrweg zu weit ist. Mal mag das gehen, aber gerade bei zu pflegenden Personen ist die Zahl der Einsätze groß. Die Hausarztpraxen hier vor Ort sind aber ebenfalls schon gut ausgelastet und so ist es manchmal schwierig, neue Patientinnen und Patienten aufzunehmen.

Astrid Bräuer, Pflegeheimleiterin im Seniorenpflegeheim Haus Sonnenberg in Parchim in Mecklenburg-Vorpommern / Foto: Carolin Dahl

Jetzt ist es möglich geworden, viele Untersuchungen digital durchführen zu können. Wir erhoffen uns zwei Effekte: Bisherige Ärztinnen und Ärzte können gehalten werden, wenn einige Fahrwege wegfallen. Und die Arztpraxen hier vor Ort haben mehr Kapazitäten, wenn die Versorgung effizienter wird. Wir sehen hier einfach die Chance, mit dem Ärztemangel besser umgehen zu können.

Wie sieht der Einsatz der gerätegestützten Telemedizin im Alltag aus?

Es beginnt damit, dass die Pflegekraft entscheidet, in einer konkreten Situation ärztlichen Rat einzuholen. Über das Tablet macht sie mit der Hausärztin einen Termin aus, der ist auch deutlich kurzfristiger möglich als bei normalen Hausbesuchen.

Am Termin geht die Pflegekraft dann zum Bewohner oder der Bewohnerin und startet gemeinsam mit der Ärztin das – man kann es so sagen – Online-Meeting. Und jetzt gibt es verschiedene Möglichkeiten: Beispielsweise kann ein Wundverlauf beurteilt werden, indem Fotos über das Tablet live gezeigt werden. Die Ärztin kann dann entscheiden, ob eine Therapie begonnen, fortgesetzt oder geändert wird.

Ein anderes Beispiel: Ein Bewohner fühlt sich nicht wohl, und wir wissen, dass Herzprobleme die Ursache sein können. An dieser Stelle würden wir ohne gerätegestützte Telemedizin sofort den Rettungswagen rufen. Jetzt aber kann die Pflegekraft mit ärztlicher Anleitung die mit dem Tablet verbundenen Elektroden anlegen. Das so erstellte EKG wird dann direkt an die Ärztin weitergeleitet, die wiederum sofort einschätzen kann, ob eine Krankenhauseinweisung wirklich nötig ist, oder ob es Entwarnung gibt und vielleicht nur die Medikation geändert wird.

Und wie reagierten die Bewohnerinnen und Bewohner?

Ausgesprochen positiv: „Oh, die Frau Doktor ist jetzt im Fernsehen!“ Sie sind einfach froh, wenn sie im Bedarfsfall schnell ihre Ärztin erreichen können und erleichtert, wenn es Entwarnung gibt. Man muss klar sagen, dass vor allem die zu pflegenden Personen sehr stark von der Telemedizin profitieren.

Sie sprachen vom Effekt der effizienteren Versorgung – was muss passieren, damit dieser Effekt wirklich eintritt?

Der Effekt der effizienteren Versorgung wird natürlich umso größer, je mehr Ärztinnen und Ärzte und Krankenkassen sich an der Telemedizin beteiligen. Deswegen finden wir den geplanten Selektivvertrag der AOK Nordost auch sehr sinnvoll. Wir möchten hier natürlich nicht unterscheiden müssen, ob dieser oder jene Bewohner oder Bewohnerin jetzt telemedizinisch versorgt werden kann, gerade wenn es auf eine schnelle Rücksprache ankommt. Dafür müssen aber alle mitmachen.

Und: Je öfter Telemedizin eingesetzt wird, desto sicherer werden die beteiligten Pflegekräfte im Umgang mit ihr. Im Pflegealltag diese Möglichkeit präsent zu haben, sie zum Wohle der Patientinnen und Patienten zu nutzen, Routinen und Abläufe zu entwickeln – das muss Normalität werden.

Das Pilotprojekt zum Einsatz gerätegestützter Telemedizin in Pflegeheimen endete am 31. März 2023. Um gerätegestützte #Telemedizin in Pflegeheimen zu stärken, ermöglichen wir interessierten Ärztinnen und Ärzten bzw. Versorgungszentren und Pflegeheimen die Abrechnung von telemedizinischen Leistungen seit dem 1. August 2023 über Versorgungsverträge nach § 140a SGB V. Die Teilnehmenden sind in der Wahl eines geeigneten technischen Anbieters der gerätegestützten Telemedizin frei. Weitere Informationen finden Sie hier:

Unterlagen für Brandenburg

Unterlagen für Mecklenburg-Vorpommern

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